Der Himmel über dem Kilimandscharo

  • Blanvalet
  • Erschienen: April 2019
  • 0

- TB, 672 Seiten

Der Himmel über dem Kilimandscharo
Der Himmel über dem Kilimandscharo
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Kathrin Walther
681001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2019

Liebe zur Zeit des Kolonialismus

Afrika: Strandurlaub am Mittelmeer, Nilkreuzfahrten oder auch das Beobachten von wilden Tieren auf sicheren Safaris. Heute ist Afrika bei vielen Touristen ein begehrtes Urlaubsziel, gibt es in dem Land doch viele exotische Möglichkeiten, seine freien Wochen zu verbringen. Ziele für Touristen gibt es zahlreiche, die Abenteuer, Erholung oder Spaß bedeuten, je nachdem, wonach es einem beliebt. Bereits gegen Ende des 19.Jahrhunderts zog es viele Europäer auf den fernen Kontinent - weniger um dort Urlaub zu machen, als vielmehr um in dem neuen Land das große Glück zu finden. Manche wanderten aus, um die in ihren Augen ungläubige Bevölkerung zu bekehren, andere gingen dorthin, um Handel mit exotischen Waren zu betreiben oder aber selbst Plantagen zu bewirtschaften. Manche suchten fernab der Heimat das große Glück, nachdem sie zuhause gescheitert waren, und sahen in Afrika eine Möglichkeit, neu anzufangen. Auch für Charlotte Ohlsen war die Chance, alles Alte hinter sich zu lassen der Grund, mit ihrem Mann und ihrer Cousine aus Ostfriesland aufzubrechen und sich dort niederzulassen.

Viele Schicksalsschläge und ein Neuanfang

Charlotte hat es nicht leicht. Bereits als Kind verliert sie ihre Familie, als diese auf See Schiffbruch erleidet und untergeht. Zwar kann sie bei ihren Großeltern, der Tante und den Cousins und Cousinen unterkommen, dennoch ändert sich ihr Leben gravierend. Gehörte sie zuvor noch zur Oberschicht, hatte vornehme Kleider und viele Privilegien, lebt sie nun in einfachen Verhältnissen mit dem Gefühl, nicht richtig in ihre neue Familie zu passen. Anstatt glücklich mit dem Leben in der Kleinstadt zu sein und die typische Frauenrolle der damaligen Zeit einzunehmen, träumt sie von der Ferne und denkt nicht ans Heiraten. Der Mann, den sie als Jugendliche interessant fand, heiratet eine entfernte Cousine, für andere Verehrer kann sie sich lange nicht erwärmen. Als ihr mit 22 schließlich durch den sehr viel älteren Kaufmann Christian Ohlsen ein Antrag gemacht wird, stimmt sie dennoch zu. Lange schon faszinieren sie seine exotischen Waren und sein Geschäft. Dass der Laden schon eine ganze Weile nicht mehr gut läuft und Christian eigentlich viel mehr Interesse an fremden Frauen als an gutem Handel hat, merkt Charlotte erst, als es schon viel zu spät ist, Christian als Betrüger auffliegt und sie alles verlieren. Die einzige Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben, bei dem sie nicht wieder bei der Familie unterkommen muss, sieht Charlotte im Auswandern: Auf nach Afrika und noch einmal neu anfangen!

Zwischen Existenzaufbau und Abenteuerlust

In Afrika angekommen werden Charlotte, ihr Mann und ihre Cousine Klara von der nüchternen Realität überrascht. Anders als erwartet werden sie dort nicht mit offenen Armen empfangen, sondern müssen ganz unten anfangen und sich von deutschen Standards verabschieden. Christian ist überzeugt davon, selbst eine Plantage aufbauen zu können, Charlotte hingegen zieht es vor, gemeinsam mit ihrer Cousine ein kleines Geschäft zu führen, um ein geringes Einkommen zu haben. Als Christian wie erwartet scheitert und die Beziehung endgültig zu zerbrechen droht, schließen sich beide einer Karawane an, die für Christian kein gutes Ende haben soll. Doch Charlotte gibt nicht auf, findet einen neuen Mann und trifft sogar ihre Jugendliebe wieder. Doch erneut schlägt das Schicksal mit aller Macht zu. Wird Charlotte ihr Glück noch einmal finden?

Frauenroman mit geschichtlichem Hintergrund

Anne Jacobs Roman begleitet Charlotte Ohlsen über eine lange Zeit, angefangen als junges Mädchen, das seine Eltern verliert, bis in die Dreißiger, wo sie sich als verheiratete Frau und später auch Mutter in Afrika durchschlägt. Doch auch wenn der Roman viele Jahre umfasst, kommen die Details der Geschichte nicht zu kurz. Im Gegenteil: teilweise würde man sich wünschen, die Handlung stände mehr im Vordergrund, denn Anne Jacobs Werk erstreckt sich über 670 Seiten, auf denen der Leser die Höhen und vor allem Tiefen der Protagonistin miterlebt. Durch die übersichtliche Anzahl an Figuren und dadurch, dass der Roman chronologisch und ohne Zeitsprünge erzählt wird, fällt es jedoch trotz des großen Umfangs nicht schwer, den Überblick über die Erzählung zu behalten und ihr ohne Schwierigkeiten zu folgen. Durch mehrere Wendungen und Überraschungen bleibt der Roman spannend, da Charlotte sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen muss, die ihr das Schicksal in den Weg legt. Da sind einerseits ihre modernen Ansichten bezüglich der Rolle der Frau (sie will ihr eigenes Geschäft aufbauen, ist geschickt im Handeln und sieht es nicht ein, untätig zu sein) und andererseits ihr Pech mit den Männern (zwei ihrer Männer sterben, sie kann ihre Jugendliebe nicht vergessen), die sie durch ihr Leben begleiten und es ihr nicht leicht machen. Gleichzeitig ist sie jedoch auch sehr nachsichtig, wenn es um ihren ersten Mann geht, der ihr sowohl den gemeinsamen wirtschaftlichen Ruin als auch seine ständigen Affären verschweigt. Vor allem die Beziehung zu ihrer gehbehinderten Cousine Klara, die für sie wie eine Schwester ist und nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrer engsten Vertrauten wurde, zeigt ihre Fürsorglichkeit und Stärke, da sie sie trotz aller Umstände nie im Stich lässt und dafür sorgt, dass auch Klara die Chance auf ein freies Leben bekommt. Etwas vorhersehbar ist der romantische Teil des Romans: dass die Beziehung zu ihrem untreuen Mann nicht auf Dauer halten wird, ist schnell klar; es überrascht eher, dass die Ehe dennoch so lange hält, was vor allem Charlottes Tugendhaftigkeit zuzuschreiben ist. Weniger überraschend ist hingegen, dass Charlottes Jugendliebe immer wieder sporadisch in der Geschichte auftaucht und am Ende des Romans nochmal eine größere Rolle spielt...

Fazit

Alles in allem ein netter Roman über eine starke Frau, die sich nicht mit ihrer passiven Rolle als Ehefrau zufrieden gegeben und für ihr eigenes und das Glück ihrer Cousine gekämpft hat. Leider verliert die Geschichte im Laufe des Buches etwas an Fahrt und wirkt ein wenig zäh, da viele Nebensächlichkeiten ausführlich beschrieben werden und der Roman insgesamt sehr geradlinig verläuft. Zwar baut sich immer wieder Spannung auf, wenn sich der nächste Schicksalsschlag anbahnt, doch die Passagen zwischen diesen Ereignissen sind teilweise etwas lang geraten. Wer sich jedoch von 670 Seiten nicht abschrecken lässt und gerne über längere Zeit in ein Werk eintaucht, wird in „Der Himmel über dem Kilimandscharo“ eine passende Lektüre finden.

Der Himmel über dem Kilimandscharo

Anne Jacobs, Blanvalet

Der Himmel über dem Kilimandscharo

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