Nichts weniger als ein Wunder

  • Limes
  • Erschienen: Februar 2019
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Nichts weniger als ein Wunder
Nichts weniger als ein Wunder
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Monika Wenger
881001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2019

Ein Genuss, welche Bilder man mit Worten heraufbeschwören kann!

Fünf Brüder versuchen, jeder auf seine Art und Weise, den Verlust der Eltern zu verarbeiten. Die Mutter ist an Krebs gestorben. Der Vater verschwindet eines Tages spurlos. Er kommt mit dem Tod seiner Frau nicht zurecht und überlässt die Jungen sich selbst. Diese kämpfen sich, im wahrsten Sinne des Wortes, gemeinsam durch die schwierige Zeit. Nach Jahren der Abwesenheit kehrt der Vater zurück und bittet um Hilfe beim Bau einer Brücke.

Der Älteste der Dunbar-Brüder, Matthew, ist der Geschichtenerzähler. Er wechselt dabei zwischen drei verschiedenen Zeitebenen hin und her. Am Anfang ist die Geschichte geprägt von den Raufereien der fünf heranwachsenden Brüder. Sie verstecken ihre Gefühle und die grosse Trauer um die Mutter, wie auch ihre Hilflosigkeit hinter einem aggressiven Verhalten. Sie sind wie eine Horde Wilder. Im Verlauf der Erzählung erfährt der Leser nach und nach mehr über die Jugendjahre der Eltern, die glückliche Zeit vor der Erkrankung der Mutter. Später dann die äusserst schwierigen Bedingungen, als der Krebs die Mutter immer mehr verschwinden lässt. Wie der Vater der Situation und dem Druck nicht gewachsen ist und sich nicht in der Lage fühlt, sich um seine Jungs zu kümmern. Wie er dann, nach dem Tod seiner Frau, einfach verschwindet. Und wie die fünf Dunbar-Brüder all das zu bewältigen versuchen.

Die verwaisten Dunbar-Brüder leben nach dem Tod der Mutter und dem Weggang des Vaters ihr Leben nach eigenem Gutdünken und eigenen Regeln. Keine Prügelei wird ausgelassen, in der Schule gibt es Schwierigkeiten. Jungen am Heranwachsen. Dennoch bilden die Fünf eine eingeschworene Gemeinschaft. Jeder versucht auf seine Art und Weise die Trauer über den Verlust der Mutter zu verarbeiten. Haustiere für den Jüngsten werden angeschafft und sind bald Aufgabe und zugleich Balsam für die ganze Hausgemeinschaft. Clay, der Zweitjüngste, findet in der Nachbarstochter Carey eine Seelenverwandte. Sie versteht diesen raubeinigen, verbissenen und introvertierten Teenager und verhilft ihm zu einer gewissen Stabilität.

Nach einem Jahr der Trauer wagen die Brüder einen ersten Schritt: sie richten sich im Haus, in welchem noch alles an die einst glückliche Familie erinnert, neu ein. Ganz langsam schauen sie wieder nach vorne.

Als dann eines Tages der Vater wieder auftaucht und um Mithilfe beim Bau einer Brücke bittet, gerät ihre sorgsam gefestigte Welt erneut ins Wanken. Clay tut sich mit der neuen Situation schwer. Soll er seinem Vater die Hand reichen? Immer wieder wägt er die Vor- und Nachteile ab. Hin- und hergerissen zwischen der Wahl zu bleiben oder zu gehen. Einerseits möchte er seine Brüder nicht im Stich lassen, andererseits sieht er in seinem Weggang die Möglichkeit einer Neuausrichtung, eines Neuanfangs. Wird er sich durchringen können?

Fazit:

Der Einstieg in die Geschichte erweist sich als Herausforderung. Am Anfang ist die Sprache genauso knapp, harsch, ja sogar rau wie die Handlung. Dann ändert sich die Art des Erzählens, wenn die Jugendjahre der Mutter Penelope in Polen beschrieben werden und noch einmal, wenn die Geschichte von Clay, dem Zweitjüngsten, erzählt wird. Der Leser sollte sich dadurch nicht beirren lassen, denn es lohnt sich definitiv, die Geschichte zu Ende zu lesen. Ein Genuss, welche Bilder man mit Worten heraufbeschwören kann!

Grundsätzlich ist das Buch die Geschichte von Clay (im Englischen heisst das Buch «Bridge of Clay»). Seine inneren Kämpfe, sein Laufen durch die Strassen um den Schmerz zu bekämpfen, berühren tief. Dem Autor ist es gelungen, die sensible, tief verletzte Seite dieses Jungen zu zeigen: seine innere Zerrissenheit, seine Liebe zum Nachbarsmädchen Carey und sein Bemühen, Brücken zu schlagen. Und er erzählt von der auf Clays Jugend beruhenden Unsicherheit und der eigentlichen Grösse dieses wunderbaren Charakters.

Wunderbar erfrischend, als Kontrast zur schweren Grundthematik, die eingestreuten Hinweise auf die griechische Mythologie als Basis für die Namensgebung der Haustiere, aber auch als Erinnerung an die geliebte Mutter. Oder Einzelheiten rund um die Welt der Rennreiter und der Wetterei.

Faszinierend, wie sich nach und nach die ganze Geschichte der Familie Dunbar fügt. Wie geschickt der Autor Ereignis um Ereignis, wie im Brückenbau, wortstark erzählt und am Schluss zu einem Ganzen zusammenfügt.

Nichts weniger als ein Wunder

Markus Zusak, Limes

Nichts weniger als ein Wunder

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