The Shape of Water

  • München: Droemer Knaur, 2018, Seiten: 432, Übersetzt: Kerstin Fricke
  • London: Titan Books, 2017, Titel: 'The Shape of Water', Originalsprache
The Shape of Water
The Shape of Water
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Sebastian Riemann
801001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2018

Liebe unter Wasser und Flucht vor dem Militär

Wie stellt man sich einen Fischmann vor? Mit Augenklappe, vollem Bart und einer blau-weißen Kapitänsmütze auf dem Kopf, dazu ein Tablett mit Fischstäbchen in der Hand? Oder als Superheld aus dem Kino, der gerne seine großen, tätowierten Muskeln zeigt und die Wellen des Ozeans auftürmt, um gegen seine Feinde zu Feld zu ziehen? Bis vor Kurzem war diese Frage noch schwer zu beantworten. Aber dank The Shape Of Water, des hervorragenden Filmes von Guillermo del Toro, weiß man nun, dass ein Fischmann nicht tätowiert ist, nicht Englisch spricht und auch nicht an der Produktion von Tiefkühlfisch beteiligt ist. Vielmehr ist er ein mythisches Wesen, ein Gott in unserer profanen und oft brutalen Welt.

Richard Strickland war auf einer Mission. Er sollte den Deus Brânquia aus den Tiefen des Dschungels im Amazonasbecken verschleppen. Im Auftrag des Militärs sollte er dieses einzigartige Wesen, von dem die Bewohner des tropischen Regenwaldes berichteten, in die Vereinigten Staaten bringen, damit es dort untersucht werden konnte. Zuerst glaubte Strickland nicht an dieses göttliche Wesen, hielt es für die Ausgeburt einer allzu lebendigen Fantasie. Aber im Verlaufe der Mission, die ihn und seine Reisebegleiter an den Rand des Wahnsinns trieb und sie beinahe das Leben kostete, änderte der ehemalige Soldat seine Meinung. Er wurde zum unerbittlichen Jäger. Während die Strapazen der Reise immer unerträglicher wurden und mehrere Helfer aufgeben mussten, steigerte sich Strickland in seine Rolle hinein. Um jeden Preis wollte er den Deus Brânquia besiegen und gefangen nehmen.

Die stumme Elisa ist als Putzfrau in der geheimen Anlage Occam angestellt. Es handelt sich um eine militärische Einrichtung. Dort verdient sie ihren Lebensunterhalt mit dem Schrubben und Wischen von Waschbecken, Fenstern, Böden und Wänden. Ein ruhiges, abgeschiedenes Leben führt sie, mit den Staatsgeheimnissen und Wissenschaftlern, die in Occam unterwegs sind, kommt sie nicht in Kontakt. Ihr Nachbar ist ein alter, nahezu vergessener Maler und ihre beste Freundin ist ihre Kollegin Zelda, die sich während der Arbeit ununterbrochen über ihren faulenzenden Mann beschwert.

Aufregend wird das Leben von Elisa, als das neue, besonders geheime Labor F-1 in der Militäranlage eingerichtet wird. Zelda und Elisa werden dort zum Reinigen eingeteilt und zufällig Teil einer Szene, die nicht für ihre Augen bestimmt ist. Sie sehen mit an, wie Strickland und eine Handvoll Soldaten einen großen Behälter in das Labor schaffen. In dem Behälter befindet sich der Deus Brânquia, aber das erfährt Elisa erst später. Denn sie ist neugierig und fühlt sich zu dem Wesen in Gefangenschaft hingezogen.

Zwischen der stummen Putzfrau und dem Flussgott vom Amazonas entsteht zunächst eine Freundschaft, die mit wenigen Gesten auskommt. Elisa bringt hartgekochte Eier mit ins Labor und bietet sie dem Gott als Opfergabe an. Später entwickelt sich daraus eine ungewöhnliche Liebesgeschichte, die sich gegen die brutalen Methoden und zweifelhaften Ziele des Militärs wendet. Elisa plant mit Hilfe ihrer Freunde die Flucht des Deus Brânquia.

Es ist eine Geschichte von Außenseitern: eine stumme Frau, eine afroamerikanische Frau, ein alter, homosexueller Maler und ein Fischmann, sie kämpfen gemeinsam gegen die Interessen des Militärs. Dabei müssen sie viel List aufwenden, denn ihr Gegner ist größer, stärker und erbarmungslos.

Guillermo del Toro hat dem Publikum schon allerhand Monster beschert. Seine Filmographie ist eine Ansammlung von ungewöhnlichen Kreaturen. Sie erschrecken und bezaubern, sowohl alt als auch jung. Oft wurden seine Filme ausgezeichnet, zuletzt erhielt er für The Shape Of Water den Oscar in der Kategorie „Bester Film“, die wichtigste Auszeichnung in Hollywood.

Das Buch bietet dem Leser und Filmliebhaber einen tieferen Einblick in die Geschichten der einzelnen Personen. Über ihre Hintergründe wird mehr bekannt. Wie Strickland in den Dschungel ging, um den Flussgott zu fangen wird erzählt, während der Film dergleichen aus zeitlichen Gründen aussparen musste. Zugleich reicht das Buch nicht an die dichte Atmosphäre, die den besonderen Reiz der Filme von Guillermo del Toro ausmacht. Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich handelt es sich um einen der ästhetisch anspruchsvollsten und kreativsten Köpfe unter den Regisseuren. Del Toro erzählt in seinen Filmen nicht nur spannende und unterhaltsame Geschichten, er schafft auch visuelle Erlebnisse. Dabei spielen seine Monster eine wichtige, aber auch die starken, fein abgestimmten Farbkompositionen, die in einem gedruckten Text schlichtweg nicht umgesetzt werden können.

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