Das rote Adressbuch

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2018
  • 6
  • München: Goldmann, 2018, Seiten: 352, Übersetzt: Kerstin Schöps
  • Stockholm: Bullet Point Publishing, 2015, Titel: 'Den röda adressboken', Seiten: 287, Originalsprache
Das rote Adressbuch
Das rote Adressbuch
Wertung wird geladen
Monika Wenger
841001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2018

Ein gelebtes Leben und im Alter sehr viel Einsamkeit. Alt werden in der heutigen Zeit ist nicht einfach. Es gibt zwar viele Angebote und Möglichkeiten für Senioren und dennoch nimmt die Vereinsamung zu. Das Wissen und die Erfahrungen der Älteren werden nicht gesucht und auch nicht geschätzt. Die Gesellschaft sieht nur, was nicht mehr funktioniert. Aber es ist ein gelebtes Leben mit allen Höhen und Tiefen. Ein Leben mit Träumen, Plänen und Wünschen. Dieses Buch erzählt die Geschichte von Doris und ihrer Reise durch ihr bewegtes Leben.

Doris ist sechsundneunzig und lebt allein in ihrer Wohnung in Stockholm. Zahlreiche Altersbeschwerden machen ihr das Leben schwer, so dass sie auf Unterstützung angewiesen ist. Täglich erhält sie Besuch vom Mahlzeitendienst. Dies ist ihre einzige Abwechslung und Unterbrechung des Alltags. Und dann ist da noch ihre Grossnichte Jenny. Sie lebt mit ihrer Familie in Amerika. Mit ihr unterhält sich Doris wöchentlich über Skype. Jenny liegt ihr ungemein am Herzen. Für sie hat Doris sich Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer angeeignet und für Jenny möchte Doris ihre Erinnerungen, festgehalten als Namen in einem roten Adressbuch, aufschreiben.

„So viele Namen, die einem im Laufe eines Lebens begegnen. Hast du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht, Jenny? Die vielen Namen, die kommen und gehen. Die dir das Herz zerreissen und dich zu Tränen rühren. Die zu Geliebten oder zu Feinden werden. Manchmal blättere ich in meinem Adressbuch. Es ist die Landkarte meines Lebens. Ich werde dir ein bisschen davon erzählen. Denn du bist die Einzige, die sich an mich erinnern wird, wenn ich gehe. Und darum bist du auch die Einzige, die sich an mein Leben erinnern wird. Das ist eine Art Testament. Ich vermache dir meine Erinnerungen. Das ist das Wertvollste, was ich besitze.“ (Zitat aus «Das rote Adressbuch von Sofia Lundberg»)

Von ihrem Vater erhält Doris zu ihrem zehnten Geburtstag ein rotes Adressbuch. Darin soll sie die Namen ihrer Bekanntschaften notieren und sich immer wieder an die einzelnen Begegnungen erinnern. Mittlerweile steht jedoch beinahe hinter jedem Namen „TOT“. Aber für Doris ist jeder Name ein Rückblick in ihre Vergangenheit, eine Erinnerung.

Mit dreizehn Jahren, nach dem frühen Tod des Vaters, wird Doris von ihrer Mutter zum Arbeiten weggeschickt. Die Armut zwingt die Mutter zu dieser Massnahme. Das verzeiht Doris ihr nie.

Als jüngstes Dienstmädchen von Madame arbeitet sie hart. Ein Glücksfall ist der Maler Gösta Nilsson, ein häufiger Gast bei Madame. Mit ihm fühlt sie sich verbunden. Er wird sie während ihres ganzen Lebens als Freund begleiten.

Ein Jahr nachdem Doris bei Madame zu arbeiten begonnen hat, reisen sie überstürzt nach Paris. Dort muss sie sich in einer neuen Umgebung zu Recht finden und eine fremde Sprache lernen. Gösta Nilsson bildet nun das Bindeglied zwischen der alten und der neuen Heimat. Er hat immer von Paris geschwärmt und wäre gerne dorthin zurück. Doris schreibt ihm Briefe und schildert ihre Erlebnisse in dieser grossen Stadt. Und im Gegenzug erhält sie Nachrichten aus Stockholm.

Eines Tages wird Doris auf der Strasse als Modell entdeckt. Madame ist begeistert und gibt Doris sofort frei. Wieder beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Obwohl die Arbeit anstrengend ist, gefällt Doris ihre Arbeit. Sie lernt Leute kennen und geniesst die Annehmlichkeiten. In einem Park lernt sie ihre grosse Liebe kennen. Das Leben wird leichter für Doris, denn mit Allan fühlt sie sich ganz. Aber das Glück ist von kurzer Dauer. Nach vier Monaten verschwindet Allan spurlos. Die Trauer ist riesig und scheint unüberwindbar. Zwischenzeitlich stirbt Doris‘ Mutter und die Schwester Agnes kommt nach Paris. Nun ist Doris nicht mehr allein mit ihrem Kummer und geniesst die Zeit mit Agnes.

In Europa bricht der Krieg aus. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist gross und als plötzlich ein Lebenszeichen von Allan eintrifft, macht sich Doris, zusammen mit ihrer Schwester, auf den Weg nach Amerika. Auf vielen Umwegen trifft sie ihre Liebe wieder, erfährt jedoch, dass Allan auf dem Weg nach Europa ist, um in den Krieg zu ziehen. Doris und ihre Schwester bleiben zurück und kämpfen um ihr Überleben. Ihre Reise geht weiter.

Die Autorin erzählt eindrücklich die Geschichte von Doris‘ Leben aus zwei Sichten. Einerseits aus der Perspektive der betagten Doris. Ihr einsames Leben in der Wohnung in Stockholm. Die Altersbeschwerden, welche immer zahlreicher werden. Und über den fatalen Sturz, der einen Krankenhausaufenthalt nötig macht. Andererseits in Form von Erinnerungen, welche ein ganzes Leben umfassen. Eindrücklich und gefühlvoll thematisiert Sofia Lundberg das Älterwerden und die damit verbundene Einsamkeit und über die Macht des Schicksals und die Kraft der Liebe, die wir in jedem Alter brauchen.

Sofia Lundberg arbeitet als Journalistin in Stockholm. „Das rote Adressbuch“ ist ihr Debütroman.

Das rote Adressbuch

Sofia Lundberg, Goldmann

Das rote Adressbuch

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Das rote Adressbuch«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik