Fische

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2018
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  • Berlin: Ullstein, 2018, Seiten: 352, Übersetzt: Eva Bonné
Fische
Fische
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Lisa Reim-Benke
571001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2018

Abstoßend und traurig zugleich

Lucy steht vor dem Nichts. Nachdem sich ihr Freund Jamie von ihr getrennt hat, fällt sie in ein tiefes Loch und wird sich ihrer emotionalen Abhängigkeit bewusst. Um ihrem alten Leben zu entliehen, zieht Lucy vorübergehend in das Haus ihrer Schwester in Los Angeles und kümmert sich um deren Hund Dominic. In L.A. versucht sie ihrem Gefühlschaos durch neue Männerbekanntschaften zu entkommen. Diese Sexeskapaden häufen sich, jedoch stellt sich das ersehnte Gefühl nach Selbstbestätigung nicht ein. Lucys Leidensgenossinnen in einer Gruppentherapie geht es da ganz ähnlich, auch ihnen gelingt es nicht ihre innere Leere zu füllen. Eine ausweglose Situation, bis Lucy am Strand auf den geheimnisvollen Theo trifft, der so anders zu sein scheint als alle anderen Männer. Tatsächlich ist er eine männliche Wassernixe – und verhilft Lucy zur rettenden Selbsterkenntnis.

Wer Melissa Broders Erstlingswerk liest, durchwatet einen tiefen Sumpf düsterer Emotionen: Depression, Liebeskummer, Selbsthass und die Sucht nach Anerkennung. Wahrlich kein Wohlfühlbuch für den Sommer, trotz der fantastisch-komischen Idee einen Meermann als Retter in der Not auftreten zu lassen. Die Autorin schildert einen ereignisreichen Sommer im Leben der 38-jährigen Lucy, manchmal erschreckend ehrlich, manchmal mit Humor, aber immer ziemlich eklig. Verstörende Sexszenen wechseln sich ab mit Lucys erschreckend egozentrischen Aktionen. Wer auf eine Liebesgeschichte gehofft hat, wird hier bitter enttäuscht. Doch um Romantik geht es der Autorin in dieser Erzählung auch gar nicht. Im Mittelpunkt steht eine verletzliche Frau, die sich immer mehr bewusst wird, dass weder die sexuelle noch die romantische Aufmerksamkeit der Männer Linderung für tiefsitzende, emotionale Verletzungen sein kann. Eine interessante Gesellschaftskritik also, die aufzeigt, dass Beziehungen keine Garanten für ein glückliches Leben sind und dass das Selbstwertgefühl der Frau nicht abhängig sein kann von der Sympathie der Männer.

Um den Lesern diese Erkenntnisse vor Augen zu führen, präsentiert die Autorin Antiheldin und Ich-Erzählerin Lucy. Deren kompliziertes Wesen ist irgendwo zwischen gewöhnungsbedürftig und unerträglich einzuordnen. Sicherlich ist dies von der Autorin beabsichtigt, dennoch stellt Lucy das Durchhaltevermögen der Leser auf die Probe, genauso wie die sich aneinanderreihenden Meermann-Sexszenen, die nicht unbedingt dazu beitragen, der ernsten Thematik die nötige Tiefe zu verleihen. Dass Lucy über ihre Unternehmungen sogar vergisst, sich um den Hund ihrer Schwester zu kümmern, sodass dieser am Ende elendig dahinsiecht, dürfte vor allem Hundeliebhabern die Lektüre vermiesen. In erster Linie stören jedoch die sich unaufhörlich im Kreis drehenden Gedanken Lucys, ihr unentwegtes Selbstmitleid und ihre permanente Selbstsucht. Eine einspurige Konzeption, die den Text auf der Stelle treten lässt.

An diesem Buch werden sich die Geister scheiden. Entweder man liebt es, oder man hasst es. Eine hochgradige Geschmackssache also. Fans von depressiver Chick-Lit, oder von Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ werden vermutlich ihre Freude daran haben. Und an alle anderen, die Probleme mit antipathischen Protagonisten, Fäkalien, Blut und provokanten Sexszenen haben – Finger weg.

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