Zartbitter ist das Glück

  • München: Wunderraum, 2017, Titel: 'Biter av Lykke', Übersetzt: Gabriele Haefs
  • Oslo: Font Forlag, 2016, Titel: 'Biter av lykke', Originalsprache
Zartbitter ist das Glück
Zartbitter ist das Glück
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Monika Wenger
851001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2018

Eine Einladung und eine Herausforderung. Mit diesem Titel beginnt das erste Kapitel im Roman von Anne Ostby «Zartbitter ist das Glück». Nach vierzig Jahren losem Kontakt lädt Kat ihre ehemaligen Freundinnen zu sich auf Fidschi ein. In einem herzlichen, auf jede Einzelne zugeschnittenen, mit einfühlsamen Bemerkungen versehenen Schreiben, erhalten die vier Frauen die Einladung das kalte Norwegen zu verlassen und ihren Lebensabend auf Korototoka zu verbringen. Sie sollen auf der Kakaoplantage von Kat einen Neuanfang wagen und eine Alterswohngemeinschaft bilden. Jeder Freundin ist es freigestellt, auf diese Einladung zu reagieren.

Kat hat sich gleich nach dem Abitur zusammen mit ihrem Freund Niklas in die weite Welt aufgemacht. Sie haben gemeinsam viele Länder bereist und sich in verschiedenen Hilfsprojekten eingesetzt. Sie sind jetzt auf Fidschi angekommen und betreiben gemeinsam eine Kakaoplantage. Doch bei einem Unfall kommt Niklas ums Leben. Kat muss die Zukunft alleine meistern. Ihre Haushälterin und Freundin Ateca ist tief im fidschianischen Glauben verwurzelt. In ihrer Welt ist es nur natürlich, Familie zu haben und deshalb auch in jeder Lebenslage versorgt und unterstützt zu sein. Ateca frägt Kat, ob sie denn keine Schwester habe, welche sich um sie kümmern könnte. «Schwestern müssen nicht von denselben Müttern geboren worden sein» erklärt Ateca. Und so schreibt Kat ihren Schulfreundinnen Sina, Maya, Ingrid und Lisbeth. Sie lädt sie zu sich nach Korototoka ein, um hier gemeinsam neue Wege einzuschlagen.
Sina ist sofort Feuer und Flamme für dieses Abenteuer. Unmittelbar nach der Schule ist sie schwanger geworden und hat ihren Sohn Armand allein gross gezogen. Ohne Ausbildung, mit sehr kleinem Einkommen hat Sina auf vieles verzichten müssen. Obwohl ihr Sohn nun bald die Fünfzig erreicht, lässt er sich von seiner Mutter aushalten. Seine bombensicheren finanziellen Projekte enden aber jedes Mal in einem Fiasko. Aus diesen Zwängen möchte Sina nur zu gerne fliehen.

Maya und ihr verstorbener Mann waren bis zu ihrer Pensionierung Studienräte. Gemeinsam haben sie eine Tochter, Evy. Nach und nach stellt sich heraus, dass Maya an Demenz leidet. Ob es für sie überhaupt möglich sein wird, sich an einem fremden Ort einzugewöhnen? Könnte sie die Reise überhaupt antreten?

Ingrid ist Buchhalterin. Sie hat viel gearbeitet und sich zu einer Eigenbrötlerin entwickelt. Sie hat zwei Seelen in ihrer Brust! Viel Freude bereiten ihr die Enkelkinder ihres Bruders. Als die Einladung von Kat eintrifft, ist Ingrid nicht wirklich erstaunt. Sie hat über die Jahre Kat und Niklas an verschiedenen Orten besucht und ist in Verbindung geblieben. Sie weiss um Schwierigkeiten und Herausforderungen. Ob sie sich traut?

Lisbeth hat in die Oberschicht geheiratet. Mann und Kinder, ein Haus. Alles wie sein sollte. Oder doch nicht? Wird Lisbeth die Chance packen und ihrem Leben einen neuen Sinn geben?
Anne Ostby lässt die fünf Frauen einzeln ihre Geschichte erzählen. Und auch Ateca, die fidschianische Haushälterin, erhält eine Stimme, damit der Leser das Geschehen auch aus ihrer Sicht verfolgen kann. Die Norwegerinnen lernen, sich selber, aber auch die einheimische Mentalität kennen. Die Unterschiede sind gross. Das europäische gradlinige Denken und Handeln im Kontrast zum Fühlen und Glauben der Einheimischen. Gerade das aber lässt die Möglichkeit zu, neue Erfahrungen zu sammeln. In dem Kat ihre Schulfreundinnen in das Projekt der Schokoladenherstellung miteinbezieht und die Frauen ihr eigenes Potenzial erkennen, entsteht eine wirkliche Schicksalsgemeinschaft.

Die Geschichte ist in einer wunderbaren, ruhigen Sprache geschrieben. Die Autorin bringt das Thema des Älterwerdens ehrlich und doch poetisch zur Sprache. Die Rückblenden der einzelnen Frauen auf ihr gelebtes Leben und die Hoffnung, auch mit über sechzig Jahren noch träumen und sich selber etwas beweisen zu können, sind in dieser Geschichte einzigartig zusammengefasst. Herrlich auch die bildhaften Beschreibungen von Fidschi. Wunderbar und Mut machend! Liebevoll ausgestattet. Ein besonderes Buch.

Anne Ostby ist eine norwegische Schriftstellerin und Journalistin. Sie ist Mutter von drei Töchtern und lebt mit ihrem Ehemann zurzeit auf Osttimor. In den letzten 25 Jahren hat sie in Dänemark, Malaysia, Pakistan, Kasachstan, USA, Iran und Fidschi gelebt. «Zartbitter ist das Glück» ist ihr erster Roman, welcher in den USA publiziert wurde. Eine ihrer drei Töchter, Marie, hat ihn ins Englische übersetzt.

Zartbitter ist das Glück

Anne Østby, Wunderraum

Zartbitter ist das Glück

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