Acht Berge

  • DVA
  • Erschienen: Januar 2017
  • 1
  • München: DVA, 2017, Titel: 'Acht Berge', Seiten: 256, Übersetzt: Christiane Burkhardt
Acht Berge
Acht Berge
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Sebastian Riemann
821001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2018

Eine Freundschaft und die ewigen Berge

Ein Leben in den Bergen, in wilder und freier Natur. Reine Luft und klares Wasser im Gebirgsfluss. Volle, grüne Wälder. Kühe auf der Alm und Steinböcke an den Gebirgshängen. Das ist ein Traum für jeden Großstadtbewohner, der die asphaltierten Straßen, die Hochhäuser, die Autos und Busse nicht mehr sehen, das Gedränge und den dichten Verkehr nicht mehr spüren, den Wecker am frühen Morgen nicht mehr hören will. Das ist Verheißung, ein Teil vom Paradies, vom natürlichen Leben. Die Sehnsucht nach dem Menschsein in der Natur, fernab von Hektik.

Pietro ist noch ein kleiner Junge, als er zum ersten Mal den Bergen begegnet. Mit seinen Eltern lässt er den Lärm und die schlechte Luft Mailands hinter sich, um Urlaub im Gebirge zu machen. Die Mutter liebt die Berge, der Vater ebenfalls, wenn auch auf eine andere Art als die Mutter. Sie entfliehen der Stadt und werfen sich in die offenen Arme der Natur. Der Vater schnürt sogleich die Wanderschuhe und rennt den ersten Berg hinauf. Bezwingen und erobern will er den Berg, so schnell wie möglich. Deshalb legt er auch keine Pausen ein, sieht sich kaum um. Verschnaufen und die Aussicht genießen sind nicht Teil seines Naturerlebnisses. Er will etwas erreichen, wenn er dem Gipfel entgegenstürmt. Danach notiert er seine Leistung. Der Berg ist erklommen und besiegt, am nächsten Tag folgt ein anderer. Die Mutter indes gibt sich dem langsamen, gemächlichen Leben im Dorf hin. Sie genießt die Ruhe, das Fehlen der Großstadt und der Menschenmengen. Auch die einfachen Verhältnisse gefallen ihr. Später schlägt sie ihrem Mann vor, für den Sommer ein kleines Haus in den Bergen zu mieten, damit sie dort die Natur und die Ruhe genießen kann. Auch für den kleinen Pietro, dem die Berge ebenfalls gefallen.

Bruno ist im gleichen Alter wie Pietro, jedoch nicht als Urlauber im Dorf, sondern als Teil einer Familie, die dort dauerhaft lebt. Bruno entflieht nicht der Großstadt, er ist ein Kind des Gebirges und kennt sich bestens aus, wodurch er Pietro leicht beeindrucken kann. Er nimmt ihn mit auf Expeditionen entlang des Bergflusses, in die Wälder, zu verlassenen Stollen und Hütten, die ihnen als Schätze vergangener Jahrhunderte erscheinen. Bruno zeigt Pietro eine völlig neue Welt. Dafür vernachlässigt er die Kühe seines Onkels, auf die er eigentlich aufpassen soll. Schließlich hat er nicht ständig die Möglichkeit mit einem Jungen im gleichen Alter Abenteuer zu erleben.

„Mit Bruno in die Berge zu gehen hatte nichts mit dem Erstürmen von Gipfeln zu tun. Wir nahmen zwar einen Weg, liefen durch den Wald und rannten eine halbe Stunde bergauf, aber an irgendeinem Punkt, den nur er kannte, verließen wir den ausgetretenen Pfad und suchten nach neuen Routen. Wir kletterten eine Schotterrinne hinauf oder liefen querfeldein durch dichten Nadelwald. Es war mir ein Rätsel, woran er sich orientierte.“

Die beiden werden schnell Freunde und verbringen jede freie Minute zusammen. Bis Pietro wieder abreisen muss und nach Mailand zurückkehrt, um das nächste Schuljahr anzugehen. Bruno bleibt zurück, hütet die Kühe seines Onkels und geht nicht zur Schule, denn eine Schule gibt es im Ort nicht. Es leben zu wenige Menschen dort, es gibt nicht genügend Kinder.

Paolo Cognetti liebt die Berge und die Wälder. In jedem Satz spürt man die Zuneigung, die er zu diesen Landschaften hegt. Er verinnerlicht sie und gibt sie an den Leser weiter, der selbst die frische Luft zu atmen glaubt, sobald er sich in die Geschichte um Pietro und Bruno begibt. Das Buch atmet Freiheit und Weite. Man spürt die Freude des jungen Pietro, der sich an der Seite seines neuen Freundes ungeahnt entfalten kann und zu keinem Moment das städtische Chaos Mailands vermisst. Obwohl der Kontrast zur Großstadt meist nur indirekt angesprochen wird, ist er omnipräsent in jedem Kapitel und zeichnet das Leben in den Bergen als etwas besonderes aus, das jeder Leser sofort verstehen und bejahen kann.

Paolo Cognetti schreibt über das idyllische Bild, das sich Großstadtbewohner vom Leben in den Bergen machen, und vom wahren Leben fernab der Städte. Er lässt verschiedene Weltsichten und Lebensweisen aufeinanderprallen, wenn er Pietro und Bruno als erwachsene Männer wieder zusammenbringt und ihre Freundschaft wieder aufleben lässt. Der Eine ist ein unruhiger, getriebener Filmemacher, der Andere ein Almbauer in seiner stetigen, unveränderten Umgebung. Es sind zwei sehr unterschiedliche Lebensentwürfe. Aber die Freundschaft zwischen ihnen ist stark und überwindet die großen Ungleichheiten, die sich im Verlauf der letzten Jahren herausgebildet haben. Die Liebe zu den Bergen vereint sie.

Acht Berge

Paolo Cognetti, DVA

Acht Berge

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