Die Arbeiter des Meeres

  • E. Reiss
  • Erschienen: Januar 1925
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  • Berlin: E. Reiss, 1925, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 470, Übersetzt: Carl Johann Perl
  • Zürich: Büchergilde Gutenberg, 1944, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 416, Übersetzt: Hans Kauders
  • Leipzig: List, 1952, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 379, Übersetzt: Lisa Haustein
  • Berlin: Verlag Neues Leben, 1975, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 333, Übersetzt: Lisa Haustein
  • Leipzig, Weimar: Kiepenheuer, 1987, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 405, Übersetzt: Lisa Haustein
  • Hamburg: Achilla-Presse, 2003, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 667, Übersetzt: Rainer G. Schmidt
  • Hamburg: Mare, 2017, Titel: 'Die Arbeiter des Meeres', Seiten: 672, Übersetzt: Rainer G. Schmidt
Die Arbeiter des Meeres
Die Arbeiter des Meeres
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Sebastian Riemann
741001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 2018

Einsam gegen die Fluten und Stürme

Zwanzig Jahre brachte Victor Hugo im Exil zu. Auf den zu England gehörenden, vor der französischen Küste liegenden Kanalinseln Jersey und Guernsey. Kleine Inseln, auf denen nur wenige Menschen lebten. Umgeben vom Ärmelkanal. Den Wind und das Meer beobachtete er, wie sie das Leben der Inselbewohner prägten und formten. Und natürlich arbeitete er, schrieb mehrere Bücher, u.a. Die Arbeiter des Meeres, das sich dem Dasein auf jenen Inseln und dem Spiel zwischen Menschen und Meer widmete.

Gilliatt war ein Fremder auf Guernsey, da weder seine Mutter noch er auf der Insel geboren wurden. Als er ein Kind war, erwarben sie ein kleines Haus und ließen sich dort nieder, abseits der Siedlungen, abseits der anderen Inselbewohner. Sie waren Außenseiter und unternahmen wenig, diesen Status zu ändern. Vielmehr waren sie zufrieden, für sich allein zu leben und auf niemanden angewiesen zu sein. Nachdem die Mutter starb, blieb der junge Gilliat gänzlich allein zurück. Doch auch das änderte nichts an seinem Verhalten, weiterhin zog er es vor, ohne nennenswerten Kontakt zu den Mitmenschen zu leben. Der Umgang mit der Natur genügte ihm. Mit viel Liebe pflegte er seinen Garten, in dem er alles mögliche anbaute und aufgrund seiner grünen Daumen zum Blühen und Gedeihen brachte. Im Umgang mit dem Meer war er besonders geschickt, niemand konnte sich mit ihm messen.

Eines Tages geschah das Unmögliche und Unvermeidbare. Gilliatt, der Einzelgänger, verliebte sich in das schönste Mädchen der Insel. Doch war sie nicht nur das hübscheste Mädchen, sondern auch noch die Ziehtochter des überaus angesehenen und erfolgreichen Geschäftsmann Mess Lethierry, der für sie sorgte und ihr wie ein Vater war. Gilliatt war in seiner Rolle als Außenseiter eine undenkbare Partie für diese junge Dame, die nur den besten Mann mit den besten Aussichten verdiente. Sie musste ihrem Stand gemäß heiraten, das war klar. Der merkwürdige junge Mann, der allein lebte und nicht am gesellschaftlichen Leben teilnahm, kam nicht in Frage. Außerdem war Gilliatt völlig unerfahren im Umgang mit dem anderen Geschlecht. Er wusste nicht, wie man mit Frauen spricht. Zeit seines Lebens hatte er nur mit seiner Mutter gesprochen. Im Gespräch mit den Rüben und Salatköpfen aus seinem Garten hatte er mehr Erfahrung. Es blieb ihm also nur die Anbetung aus der Ferne und das Schwelgen in Fantasien, in denen er dem Mädchen näherkommen konnte.

Dann traf Mess Lethierry ein großes Unglück. Sein Schiff, auf dem sein Wohlstand und Ansehen beruhten, wurde bei Nebel zwischen zwei Felsen gefahren, so dass es zerbrach und zur Hälfte versank. Alles war dahin. Das Lebenswerk des stolzen Mannes vernichtet. Die Zukunft seiner Ziehtochter, deren Aussteuer durch den Gewinn des Schiffes erwirtschaftet werden sollte, war gefährdet. Das Glück der Familie verschwand und drohte, sich ins Gegenteil zu verkehren. In einem Anflug von Mitleid versprach das hübsche Mädchen, den Mann zu heiraten, der die intakten Reste des Schiffes retten würde. Denn zur allgemeinen Überraschung, so hatte es ein Schiffskapitän berichtet, der kurz nach dem Unglück an besagten Felsen vorbeifuhr und das zerbrochene Schiff sah, waren die wichtigsten Teile noch gut erhalten. Wie durch ein Wunder war die Maschine nicht beschädigt worden. Wenn man sie retten könnte, wäre es möglich um sie herum einen neuen Schiffsrumpf zu zimmern und dann hätte man wieder ein funktionstüchtiges Schiff. Doch wie sollte man aus einem zerbrochenen Schiffsrumpf das Herzstück heraustrennen, während sich alles zwischen zwei großen, schroffen Felsen auf offener See befand? Das war nicht zu machen. Die Douvresfelsen war berüchtigt. Und doch wollte Lethierrys Ziehtochter den Mann heiraten, der es bewerkstelligen könnte.

Also machte sich Gilliatt auf den Weg.

Auf den Douvresfelsen richtete er sich ein, nachdem er die Lage inspiziert und analysiert hatte. Dann begann er mit der Arbeit. Er schnitt, hämmerte, sägte, schmiedete und baute. Aus den wenigen Werkzeugen, die ihm zur Verfügung standen, und dem Material vor Ort machte er das Beste, das, was eigentlich nicht möglich schien. Dabei gingen die Wochen ins Land und Gilliatt wurde zu einem wahrhaftigen Bewohner der Felsen. Inmitten des Meeres arbeitete er wie ein Verrückter, um das Unmögliche zu erreichen.

Gilliatts Zeit auf den Douvresfelsen ist das Herzstück des Romans, der ansonsten wenig Handlung aufweist. Der Wettstreit zwischen einem Mann auf der einen Seite und dem mächtigen Meer mit seinen unberechenbaren Winden auf der anderen Seite ist das wahre Thema. Es ist ein Kampf des Menschen gegen die übermächtigen Elemente, dort, wo der Mensch immer im Nachteil zu sein scheint, weil er niemals gewinnen kann. Das Meer ist schlichtweg zu groß, es kann nicht gebändigt, nicht eingezäunt werden. Man kann ihm lediglich entkommen. Mit dem Meer leben bedeutet siegen. Dem Meer nachgeben ist der Tod.

Den Felsen will Gilliatt eine Maschine abringen. Dafür muss er leiden und erdulden. Feindselig ist das Meer gegen ihn, es will ihn und sein Unternehmen vernichten, will ihn samt der Maschine auf den Grund der See werfen. Doch aufgeben ist nicht die Sache des jungen Mannes, der im Leben ohnehin nichts zu verlieren hat.

Unendlich sind die Winde, die das Meer gegen den Eindringling aufhetzen. Hugo kennt all ihre Namen. So wie er die Namen der Strömungen kennt und die Geheimnisse, die den Meeren seit jeher zugeschrieben werden. In unzähligen Kapiteln erklärt und beschreibt er die Eigenarten des Wassers und des Windes, lässt das große Mysterium Meer wachsen und den Leser in seinen Bann schlagen. Ein langatmiges Abenteuer- und Naturbuch für Freunde der weiten See.

Die Arbeiter des Meeres

Victor Hugo, E. Reiss

Die Arbeiter des Meeres

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