Bella Germania

  • Jumbo
  • Erschienen: Januar 2016
  • 0
  • Hamburg: Jumbo, 2016, Übersetzt: Maria Bierstedt
Bella Germania
Bella Germania
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Rita Dell'Agnese
901001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2017

Und plötzlich ist man mittendrin

Eigentlich fährt Vincent nach Italien, um sich für seinen Arbeitgeber mit einem ungewöhnlichen kleinen Fahrzeug auseinanderzusetzen. Die BMW darben, die Isetta könnte Abhilfe bringen - wenn sie denn hält, was sie verspricht. Um sich mit den Herstellern verständigen zu können braucht der junge Deutsche eine Dolmetscherin. Diese ist in der Person der Sekretärin Giulietta schnell gefunden. Die junge Frau zieht Vincent sofort in den Bann. Doch sie ist einem anderen versprochen. In den 50er Jahren ist dies ein ernsthaftes Hindernis. Die Liebe ist zunächst stärker: Giulietta und Vincent kommen sich näher. Für ihn ist klar: Er will sie als seine Frau nach Deutschland holen. Groß ist seine Enttäuschung, als sie nicht zum vereinbarten Treffpunkt kommt. Hat sie ihn aufgegeben? Giulietta heiratet schließlich gegen ihre innere Überzeugung ihren Verlobten Enzo. Er ist sich bewusst, dass der Sohn, der dem Paar bald geboren wird, nicht sein Kind ist. Der etwas schwerfällige Enzo kann mit dem begabten und fordernden Vincenzo wenig anfangen. Und Giulietta entfernt sich immer mehr von ihrem Mann. Bis sie schließlich ihrem Herzen folgt und nach Deutschland reist, um Vincent zu sehen. Er aber hat sich nach etlichen Jahren einer neuen Frau zugewandt, die ein Kind von ihm erwartet. Tief enttäuscht zieht sich Giulietta zurück, bleibt aber mit Vincenzo bei ihrem Bruder Giovanni in Deutschland. Er war schon vor etlichen Jahren hierhergekommen, weil er sich eine bessere Zukunft erhoffte. Während sie sich zusammen mit ihrem Bruder eine Existenz aufbaut, leidet der in Italien hochgejubelte Junge unter der Diskriminierung in der deutschen Schule. Seine Träume lösen sich in nichts auf, er gerät nach und nach auf eine schiefe Bahn. "Germania" ist ihm verhasst, er sehnt sich nach einer Rückkehr ins heimatliche Italien. Daran ändert sich auch nichts, als er der jungen Deutschen Tanja begegnet, die von ihm schwanger wird. Tanja muss ihre Tochter Julia alleine aufziehen. Gerade, als Julia mit ihrer eigenen Modekollektion einen ersten Erfolg feiern kann, tritt Vincent in ihr Leben und erzählt ihr, dass er ihr Großvater sei. Geschockt beginnt Julia in der Vergangenheit zu graben. Sie glaubte, ihr Vater Vincenzo sei bei Unfall ums Leben gekommen, muss nun aber feststellen, dass er nicht nur lebt, sondern auch eine Frau und Kinder hat. Hin und her gerissen versucht Julia, ihre Wurzeln kennen zu lernen.

Drei Generationen und ihre Schicksale. Daniel Speck hat sich eine facettenreiche Geschichte zurecht gelegt, an der mancher Erzähler scheitern könnte. Nicht so der Autor, der schon erfolgreich Drehbücher für Kinofilme geschrieben hat, mit Bella Germania aber seinen ersten Roman vorlegt. Der Münchner knüpft an seine Erfolgsgeschichte an, macht den Roman zu einem lebendigen Werk, das den Leser unvermittelt ins Geschehen hinein zieht und ihm eine Fülle von Gefühlen präsentiert. Es ist nicht einfach, was Daniel Speck erzählt. Denn er macht sichtbar, was man bestenfalls von den Erzählungen früherer Generationen kennt. Es ist dieser unbändige Wunsch, es zu etwas zu bringen, sein Glück in einem fernen Land zu suchen und dann als gemachter Mann in die Heimat zurück zu kehren. Giovannis Hunger nach einem besseren Leben lässt den jungen Italiener ins ferne Deutschland emigrieren - nur um festzustellen, dass der Traum vom besseren Leben wie eine Seifenblase zerplatzt. Nichts von alldem, was ihm scheinbar versprochen war, erfüllt sich. Hier nimmt Daniel Speck eine auch heute noch gültige Variante unter die Lupe, nach der Menschen mit wenig oder gar keiner Perspektive dazu verlockt werden, sich in ein wirtschaftlich besser gestelltes Land aufzumachen. Fremdenfeindlichkeit, Verachtung des Fremden, Neid, Heimweh, Sehnsüchte und falsch verstandene Kultur: All das baut Daniel Speck in seinen Roman ein. Er lässt die Zeit voran schreiten, gibt jeder Epoche ein eigenes Gesicht, lässt seine Figuren in Würde altern. Er macht verständlich, weshalb sie in ihrem Versuch scheitern, dem anderen entgegen zu kommen. Und er zeigt, wie sich Enttäuschung breit macht, wenn Illusionen wie Seifenblasen zerplatzen.

Der Autor hat es gut verstanden, seine Figuren so aufeinander abzustimmen, dass er die Entwicklung optimal aufzeigen konnte. Jeder Figur hat er einen eigenen Charakter verliehen, nirgends gleitet er zu stark in ein schwarz-weiß-Schema ab. Dass es gewisse Klischees gibt, lässt sich wohl nicht ganz vermeiden, doch sind sie nicht so raumfüllend, dass sie dem lebendig und überzeugend erzählten Roman Abbruch tun könnten. Daniel Speck hat mit Bella Germania ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte geschrieben und lässt seine Leser am Leben seiner Protagonisten teilhaben. Nach dieser berührenden Geschichte wünscht man sich auf jeden Fall mehr aus der Feder von Daniel Speck.

Bella Germania

Daniel Speck, Jumbo

Bella Germania

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