Fast kein Land

  • Osburg
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • Berlin: Osburg, 2011, Seiten: 174, Originalsprache
Fast kein Land
Fast kein Land
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Andreas Kurth
601001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2011

Hannes, Hermann und das Taschenmesser

Europa am Vorabend des zweiten Weltkrieges. Hannes ist 12 Jahre alt, und lebt auf dem Bauernhof seiner Eltern im Sönke-Nissen-Koog. In Nordfriesland ist die Welt in Ordnung, die große Politik und der drohende Krieg sind scheinbar weit weg. Doch dann wird die Idylle jäh gestört. Ein Vorauskommando rollt an, um ein Geheimtreffen zwischen Reichsmarschall Hermann Göring und einigen englischen Lords vorzubereiten. Birger Dahlerus, schwedischer Industrieller und neuer Ehemann der Witwe von Sönke Nissen, will zwischen Deutschland und England vermitteln. Und so werden Hannes und der Koog in Nordfriesland von Mantel der Geschichte berührt. Die Wogen der Weltpolitik schwappen in die friedliche Welt hinter dem Deich - und Hannes erlebt einige unvergessliche Tage.

Das geheime Treffen zwischen der Nazi-Größe und den vornehmen Lords aus England ist für Nordfriesland mehr als eine bekannte Anekdote. Ocke Bandixen hat um das historisch belegte Ereignis herum eine kleine Geschichte gesponnen, die den heranwachsenden Hannes in den Mittelpunkt stellt. Der Verlag spricht davon, der Autor habe dem Geheimtreffen damit ein literarisches Denkmal gesetzt. Das ist dann doch ein wenig zu dick aufgetragen. Es ist ein leicht zu lesender Roman, mit einer sehr bildhaften Sprache, der die Szenen auf dem Bauernhof und im Koog in sparsamen Skizzen gut einfängt. Aber die eigentlichen Verhandlungen sind doch eher knapp geschildert, und die Ankündigung, Hannes werde dabei eine entscheidende Rolle spielen, ist mehr als übertrieben.

Immerhin ist die Beschreibung der Landschaft an der schleswig-holsteinischen Westküste gut gelungen. Möwengeschrei, salzige Luft, Sonne über dem Watt – das prägt die Menschen. Sie leben auf einer Scholle, die dem Meer abgerungen wurde, und müssen hart um ihre Existenz ringen.

Hannes weiß, dass der Deich, der Koog überhaupt und der elterliche Hof durch lange zurück liegende Diamantenfunde in Deutsch-Südwestafrika bezahlt wurden. Während er sich vom Knecht des Hofes viel erzählen lässt und dabei von dem fernen Land träumt, ist er voller Neugierde auf die kommenden Ereignisse. Die bleiben für ihn allerdings letztlich geheimnisvoll – und leider auch für den Leser. Bei aller Erzählkunst versäumt es der Autor, die Geschichte um das historische Treffen weiter auszuschmücken. Entweder wollte er sich nicht zu sehr von den historisch belegten Fakten entfernen, oder – was die schlechtere Variante wäre – es ist ihm nicht mehr dazu eingefallen.

Dennoch hat der Roman durchaus einige Highlights zu bieten. Die Episode zwischen Hannes Bahnsen und Hermann Göring ist außerordentlich gut gelungen, aber auch hier wünscht man sich als Leser etwas mehr, hat das Gefühl, es fehle noch etwas. Durch die Anekdote um das Taschenmesser – das geplante Geburtstagsgeschenk für Hannes - versucht der Autor, einen roten Faden in die Geschichte zu weben, was ihm bedingt auch gelingt. Der Abschluss, der hier nicht verraten werden darf, versöhnt dann immerhin etwas.

Ocke Bandixen hätte durchaus etwas weiter ausholen und von seiner literarischen Freiheit Gebrauch machen sollen. Einige Seiten mehr hätten dem Roman gut getan, so macht sich beim Lesen das Gefühlt breit, dass eigentlich noch etwas passieren müsste – um dann enttäuscht zu werden. Das Buch liest sich flüssig und es gibt keine logischen Brüche. Aber dennoch ist hier ein wirklich guter Ansatz im Grunde vertan worden.

Fast kein Land

Ocke Bandixen, Osburg

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