Hiob

  • Frankfurt am Main: Fischer, 2014, Seiten: 192, Originalsprache, Bemerkung: Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexion und mit Daten zu Leben und Werk
  • Berlin: Gustav Kiepenheuer, 1930, Originalsprache
  • Berlin: DAV, 2015, Seiten: 1, Übersetzt: Hans Paetsch, Bemerkung: ungekürzte Lesung
Hiob
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Sebastian Riemann
861001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2015

Mendel Singer, ein einfacher, gottesfürchtiger Mann

Episch kommt es daher, dieses Werk mit biblischem Namen und der Geschichte eines einfachen Juden. Es ist, wie sein Vorbild, eine Leidens- und Glücksgeschichte. Joseph Roth hat mit Hiob ein Buch geschaffen, das sich wie ein Roman gibt, aber doch weiterreicht. Glauben und menschliche Schwächen werden in der Geschichte des Protagonisten tiefgründig und ausführlich behandelt, sie bleiben dabei jedoch nicht an der Hauptfigur haften, sondern werden so weit symbolisiert, dass sie ohne ihn existieren können. Ein Roman, der sich an biblischen Geschichten orientiert und ihre Aussagekraft nachahmt, auf dass er ein Gleichnis bleibt über die Zeit.

Mendel Singer ist Lehrer, schlecht bezahlt, fromm und alltäglich. Ein einfacher Mann, der am Glauben festhält und wenig im Leben riskiert. Routine bestimmt sein Dasein und das seiner Familie. Sie leben in einfachsten Verhältnissen auf dem russischen Land, in Armut und Ehrfurcht. Der Tag beginnt früh mit Gebet und Teekessel. Drei Kinder und die Eltern leben auf engem Raum zusammen. Die Tage und Monate und Jahre gleichen sich, sie ziehen dahin, während die Kinder heranwachsen und die Eltern ihren Tätigkeiten nachgehen.

Als Singers Frau ein weiteres Kind zur Welt bringt, ändert sich das Leben der unauffälligen Familie. Ein Junge wird geboren, sie nennen ihn Menuchim. Doch er entwickelt sich nicht wie die anderen Kinder und wird zur Sorge der Eltern. Schwach und kümmerlich ist er in jeder Hinsicht, es scheint ein Wunder, dass er am Leben bleibt. Singers bleibt nur übrig, die Bürde zu tragen, sich um den kränklichen Sohn zu kümmern und für ihn zu beten. So vergehen die folgenden Jahre und Menuchim bleibt ein Kind, kann den eigenen Körper nur wenig beherrschen, ebenso die Sprache. Mama, ist das einzige Wort aus seinem Mund. Er kriecht, obwohl er schon seit langem laufen sollte. Mendel Singer und seine Frau lieben ihn trotzdem.

Eines Tages erträgt die Mutter die Ungewissheit nicht mehr und fährt zum Rabbi im nächsten Ort, um sich Rat im Falle Menuchims zu holen. Der Geistliche rät ihr zu Geduld mit dem Kind, welches einmal zu einem guten Mann werden wird. Beglückt kehrt die Mutter zurück zur Familie und verkündet ihrem Mann die Nachricht, auch wenn dieser nicht viel auf die Rabbis gibt. Es ist eine Bestätigung der Hoffnung und als solche höchst willkommen, auch wenn der schwere Alltag dadurch nicht erträglicher wird.

Ein weiterer Schicksalsschlag trifft die Familie, da die beiden großen Söhne zum Militärdienst eingezogen werden. Mendel Singer glaubt die beiden schon verloren, da macht sich seine Frau auf den Weg, nimmt die geheimen Ersparnisse zusammen und erkauft einem Sohn die Flucht aus dem zaristischen Russland. Überraschend gibt der andere Sohn bekannt, dass er mit Freude zum Militär gehen werde. Und Mendel Singer weiß nicht, ob er sich über den plötzlichen Wandel der nahen Zukunft freuen soll oder nicht. Letztlich sind seine Söhne verloren, der eine an die fremde Ferne, der andere an das Militär, beide an gottlose und unfromme Umstände.

Das Leben des Mendel Singer ist geprägt von Leid und Duldsamkeit. Gott prüft ihn, legt ihm Bürden auf, damit er seinen Glauben beweist. Ganz im Sinne Hiobs. Dann kommt die Wende, die Singers erhalten Nachricht - überbracht von einem fremden, merkwürdigen Mann, den niemand versteht – aus Amerika. Der geflohene Sohn hat Glück gehabt, ist im Land von Milch und Honig gelandet, hat dort gute Kontakte knüpfen und ein solides Geschäft aufbauen können, zusammen mit dem Mann, der den Singers die Nachricht überbrachte.

Der zweite Teil des Buches ist dem Glück gewidmet und Amerika, dem Land der Hoffnung. Alles scheint sich ins Gegenteil zu verkehren, Mendel Singer doch noch ein schönes Leben beschieden. Dann aber lässt Gott seinen gläubigen Musterschüler Singer wieder fallen, stellt ihn erneut auf die Probe, mehr noch als zuvor.

Joseph Roth entstammte einem einfach jüdischen Haushalt im entlegenen Osten des Reiches Österreich-Ungarn. Den Verlust seines Vaterlandes verarbeitete er vielfach in seinen Büchern, so auch im Hiob in der Gestalt des Mendel Singer, der seinem angetrauten Heim entsagt, um in der Ferne das Glück zu suchen, dabei jedoch nicht vollends froh wird und dem alten, verlorenen Geburtsort nachtrauert.
Die Geschichte orientiert sich im Ton stark am biblischen Pathos und an der Schlagkraft kurzer Aussagen. Es ist ein Zeichen der großen Kunst des Autors, das Format des Romans so weit biegen zu können, ohne dabei die Kunst des Erzählens zu vergessen. Der Hiob unterstreicht die Vielfältigkeit seines Autors und bietet dem Leser eine seltene Mischung aus epischer Dramatik und lebensnaher Menschlichkeit.

Hiob

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