Rot und Schwarz

  • Paris: [unbekannt], 1830, Titel: 'Le Rouge et le Noir', Originalsprache
  • Köln: Anaconda, 2013, Seiten: 608, Übersetzt: Friedrich von Oppeln-Bronikowski
  • Düsseldorf: Dt. Bücherbund, 1949, Bemerkung: Vollst. Übertr. von Botho H. Elster
Rot und Schwarz
Rot und Schwarz
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Judith Fuchs
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2015

Von den Wirren der inneren Gefühlswelt und dem Handeln im öffentlichen Leben

Julien Sorel wächst mittellos in einem kleinen, französischen Dorf auf. Er strebt nach Ansehen und Wohlstand, wofür er die Laufbahn eines Priesters einschlägt. Glückliche Kontakte verschaffen ihm nach einigen Studien eine Anstellung als Hauslehrer beim Bürgermeister der Stadt. Neben den drei Kindern zieht ihn vor allem deren Mutter Madame de Rênal in ihren Bann. Nach einer zerreißenden Ungewissheit und quälenden Zweifeln, fallen jedoch beide glücklich übereinander her. Das Glück findet trotzdem ein rasches und gleichsam tragisches Ende. Nach Aufdeckung der heimlichen Liebschaft, muss Julien fliehen. Er begibt sich ins Seminar für weitere Studien und konzentriert sich erneut auf seine Karriere. Auch hier helfen ihm glückliche Kontakte weiter. So wird er als Sekretär nach Paris geschickt. Dem Marquis de la Mole soll er zuarbeiten und unter anderem Briefe übersetzen. Hier ist es wiederum die Tochter Mathilde, die Julien um den Verstand zu bringen droht. Erneut versinkt er samt seiner Angebeteten in emotionalen Irrungen und Wirrungen. Durch geschickte psychische Spielereien gelingt es schließlich Julien, sich unwiderstehlich anzupreisen. Mathilde gibt sich ihrer Liebe hin und verlässt ihren Vater, nachdem die Beziehung aufgrund ihrer Schwangerschaft publik geworden ist. Durch (un-)glückliche Ereignisse kreuzt Madame de Rênal erneut das Geschehen und wirft ein schlechtes Licht auf Julien. Woraufhin dieser in blinder und verzweifelter Wut einen Mordversuch an ihr verübt. Im Gefängnis wird ihm klar, dass er nur sie als einzige jemals liebte. Doch weder Reue, noch Erkenntnis können Julien vor seinem unvermeidlichen Schicksal bewahren.

Geschichte und Ereignisse werden dem Leser denkbar simpel und daher verständlich von Stendhal aufgetischt. Vielmehr konzentriert sich der Zweiteiler auf die (Un-) Darstellbarkeit des menschlichen Gemüts. Gefühle und ihre verrückten Wege, Beweggründe und daraus resultierenden Handlungen bilden den Kern von Rot und Schwarz. Um die inneren Zerwürfnisse und Kämpfe der zentralen Figuren darzustellen, werden zwei stilistische Mittel genutzt. Einerseits wird stets die Perspektive des Erzählenden gewechselt. So ist manchmal erst nach einigen Sätzen zu erkennen, wessen Sicht gerade zu Wort kommt – mal ist es Julien Sorel, aber ebenso können es seine Angebeteten sein. Andererseits wird Gesprochenes nicht konsequent als dieses gekennzeichnet. Daraus folgt, dass Gedanken als Gesprochenes und Gesprochenes als Gedanken erscheinen. Am Ende eines Absatzes ist oft klar, ob die vorigen Sätze einen ideellen Monolog darstellen oder aber ausgesprochenen wurden – jedoch nicht immer. Beides (Perspektiven- sowie Redemittelwechsel) geschieht ohne erkennbare Muster. Dadurch trägt Stendhal geschickt die verwirrte Gemütslage seiner Handelnden hinüber in die Welt des Lesers. Sind sie sich ihrer Liebe sicher oder nicht? Wer spricht eigentlich gerade so (un)sicher von seiner Zuneigung? Julien weiß in großen Teilen nicht, was er empfindet. Der Leser fühlt mit und weiß daher ebenso wenig. Dennoch sind es gerade die chaotischen, uneindeutigen Emotionen, die das Handeln in Rot und Schwarz bestimmen. Der ersehnte gesellschaftliche Aufstieg Juliens gibt dem Roman daher lediglich einen darstellenden Rahmen. Schließlich kann das Handeln im öffentlichen Leben sehr wohl und durchaus treffend in Worte gefasst und nachvollzogen werden. Im Gegensatz zur menschlichen Gefühlswelt.

Ein aktionsgeladenes, ereignisreiches Buch ist Stendhals Roman demnach nicht unbedingt. Dem Einen oder Anderen mögen die Seiten gar schleppend und schwerfällig daherkommen. Es stimmt schon, die Handlung ließe sich auch kürzer darstellen. Aber darauf kommt es nicht an. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die Leistungen und Wege der menschlichen Seele zu ergründen und vor allem dies in Worte zu fassen. Höhepunkte geraten dementsprechend teilweise kurz und knapp. Wie eben auch Glücksmomente nur für Bruchteile von Sekunden anhalten können. Und dies darzustellen, gelingt Stendhal ausgesprochen gut.

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