Hart auf hart

  • München: Der Hörverlag, 2015, Seiten: 8, Übersetzt: August Diehl
Hart auf hart
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Rita Dell'Agnese
801001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2015

Ein Stück amerikanischer Way of Live

T.C. Boyle ist versiert. Wenn er schreibt, weiß er von Anfang an, dass er ein Publikum dafür findet. Das ist bei seinem jüngsten Roman Hart auf Hart nicht anders. Versiert, unverkennbar aus der Boyle-Feder geflossen und doch nicht mit dieser Verve geschrieben, wie sie früheren Boyle-Romanen anhaftet. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Denn der Einstieg in den Roman ist durchaus gelungen, hat ein gutes Tempo, eine starke Note. Es geht um den ehemaligen Ex-Marine Sten, der mit seiner Frau eine Kreuzfahrt unternimmt. Bei einem Landausflug gerät die Reisegruppe in die Hände von Kleinkriminellen. Sten, dazu ausgebildet, sich durchzusetzen, bringt einen von ihnen um. Obwohl es niemand direkt ausspricht, so spürt Sten doch, dass seine Handlung bei den übrigen Mitgliedern der Gruppe eine ambivalente Haltung auslöst. Der Ex-Marine muss sich damit auseinandersetzen, dass die Werte, die sein ganzes Leben bestimmt haben, nicht in jedem gesellschaftlichen Umfeld denselben Stellenwert genießen.

Nach diesem Einstieg blendet Boyle zu Sara. Die junge Frau ist auf dem Weg zur Kundschaft, wo sie ein Pferd neu beschlagen will. Mit im Auto ihr Hund Kutya. Während einer Kontrolle schnappt Kutya nach der Polizei und wird in ein Tierheim gebracht. Für Sara ein Drama, denn Kutya ist alles, was sie hat. Da trifft die junge Frau auf den trampenden Adam, Sohn des Ex-Marines Sten. Der junge Mann ist in seiner eigenen Welt gefangen, gilt als psychisch labil und hat Mühe, Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen. Warum er die Einladung von Sara annimmt, die Nacht bei ihr zu verbringen, weiß Adam selber nicht so genau. Aber er ist sogar bereit, mit ihr den Hund aus dem Tierheim zu befreien, obwohl sich in ihm alles sträubt. Sara, des Alleinsein müde, sieht in Adam einen möglichen Partner. Sie umwirbt ihn und gibt ihm kaum eine Chance, sich zu entziehen. Dabei schaut die junge Frau gezielt weg, wenn es um die Eigenheiten von Adam geht. Sie will nicht erkennen, dass Adam eine tickende Zeitbombe ist, die jeden Moment zu einer verheerenden Tat fähig wäre. Sara, selber auf einem Kampfzug gegen den Staat Kalifornien, vermag gar den wilden Gedanken Adams einiges abzugewinnen. Um Kutya vor der Polizei zu verstecken, fährt Sara mit Adam zum Haus seiner Großmutter, wo der junge Mann bisher gewohnt hat. Dort treffen sie auf Sten, der gerade dabei ist, die von Adam errichtete Mauer um das Grundstück einzureißen. Denn Adam soll das Haus räumen. Die Situation zwischen Vater und Sohn spitzt sich zu.

Boyles Faible für schräge Figuren, die dem amerikanischen Mainstream entgegen laufen, kommt in diesem Roman voll zum Zuge. Wie schon in früheren Romanen beschwört Boyle verschiedene Aspekte wie etwa die amerikanische Version von Freiheit oder gesellschaftliche Probleme herauf. Er reiht in seinen Szenarien fest zementierte Bilder aneinander und lässt den Leser auf diese Weise immer rätseln ob hier nun eine Portion Sarkasmus mitschwingt oder ob Boyle ganz einfach an diese Bilder glaubt. „Hart auf Hart" ist in jeder Hinsicht amerikanisch. Richtig amerikanisch. Für das europäische Publikum bleibt einiges schwer verständlich, verschiedenes kaum nachvollziehbar. Den seltsamen Kampf etwa, den Sara gegen die illegale Regierung führt, diese eiserne Haltung, die Sten an den Tag legt oder die Waffengläubigkeit Adams sind einige Aspekte, die stark zum Ausdruck kommen.

Ob Boyle mit der Ausgestaltung seiner Charaktere provozieren wollte bleibt bis zum Schluss unklar. Er treibt sie an, lässt sich aus dem ersten Eindruck eines etwas schrulligen Vogels heraus treten und macht sie in einer sich immer schneller drehenden Spirale zu gefährlichen Psychopaten, die jederzeit in der Lage sind, um sich zu schlagen. Keiner der Protagonisten vermag es so richtig, dem Leser ans Herz zu wachsen. Es ist, als müsste man gezielt Abstand halten, als könnte man sich infizieren und dann demselben Verderben anheimfallen, wie Sara, Adam oder auch Sten.

Hart auf Hart ist ein Roman, der all das in sich vereint, was auf dem Cover der Erstausgabe abgebildet ist: Eine desolate amerikanische Welt. Es ist schwer, sich dem Sog der Geschichte zu entziehen und doch braucht es Biss, an ihr dran zu bleiben. Diese Zerrissenheit stellt sich auch ein, wenn man den Buchdeckel zuklappt. Es ist kein Boyle, bei dem Herzblut fließt. Aber einer, der nachwirkt.

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