Jäger

  • Berlin
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • New York: Harper & Brothers, 1957, Titel: 'The Hunters', Originalsprache
  • Berlin: Berlin, 2014, Seiten: 304, Übersetzt: Jana Maria Hartmann
Jäger
Jäger
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Sebastian Riemann
781001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2015

Ein Schuss, ein Stern und Ruhm

James Salter hat ein interessantes, aber auch merkwürdiges Buch über den Alltag des Krieges geschrieben. Im Koreakrieg, jenem Stellvertreterkrieg in den 50ern, trafen zwei gegensätzliche Kräfte aufeinander, die später zunehmend das Weltgeschehen prägten.

Nordkorea kämpfte mit Unterstützung der Sowjetunion und Chinas, während der Süden Hilfe von den USA erhielt. Die zwei Systeme, die sich direkt nur in einem kalten Krieg gegenüberstanden, führten auf der koreanischen Halbinsel einen sehr verlustreichen Kampf, der selten die Beachtung in den Geschichtsbüchern erfährt, die ihm zusteht. Und auch Salter geht es nicht um das Ausmaß des Grauens oder die Gefahr eines dritten Weltkrieges, wie sie damals von vielen wahrgenommen wurde, vielmehr befasst sich der Autor mit einer sehr eigenen Sicht auf das Geschehen. Der Autor wählt als Protagonisten keine Fußsoldaten, die sich durch das Dickicht der Wälder kämpfen müssen, dem Feind gegenüberstehen und an exotischen Krankheiten zugrunde gehen. Piloten von Jagdflugzeugen sind seine Helden und Leidtragenden. Sie bewegen sich hoch oben zwischen den Wolken, weit entfernt vom Schicksal der meisten Soldaten, sie jagen einander hinterher in riskanten Manövern und mit atemberaubender Geschwindigkeit. Sie sind Einzelkämpfer, auch wenn sie im Verbund fliegen. Ein Jagdpilot ist eine schillernde Figur, wenn er sein Handwerk versteht und gegnerische Flugzeuge vom Himmel zu holen weiß. Er wird von seinen Kameraden verehrt und erhält Auszeichnungen. Ein erfolgreicher Jäger bekommt für jeden Abschuss, den er auf seinem Konto verbuchen kann, einen Stern und wird, sobald der fünfte Stern auf seine Maschine gepinselt wurde, ein Held sonder gleichen. Übermenschlich erscheint er dann, geleitet von einer göttlichen Hand, die ihm das Fliegen, Schießen und Siegen ermöglichte. Die meisten Piloten können keinen oder nur einen Abschuss über die Länge ihrer Einsatzzeit erreichen und blicken voller Begeisterung zu jenen auf, die sich zur Elite der Air Force geschossen, den Feind in Angst und Schrecken versetzt haben.

Der Krieg über den Wolken ist ein anderer. Die Piloten machen sich nicht schmutzig, sie robben nicht durch den Schlamm und müssen nicht in der unbekannten Wildnis übernachten. Kampfpiloten haben ihre Basis fernab der Gefechtslinie, verbringen die Kampfzeit allein im Cockpit und haben eine sehr gute Chance den Einsatz lebend zu überstehen. Sie sind militärische Elite und als solche außergewöhnlich, ihr Krieg ist sauber und elegant. Salter beschreibt den Alltag der Piloten wie ein nimmer endender Jagdausflug unter Gentlemen, die um nichts fürchten müssen, außer ihr Ansehen. Täglich werden Einsätze Richtung Norden geflogen, dort wo Nordkoreaner und Chinesen den Boden verteidigen und russische Piloten die Luft mit ihren MiGs durchpflügen, auf der Suche nach amerikanischen Maschinen. Meistens passiert dabei recht wenig, die feindlichen Geschwader fliegen in unterschiedlichen Höhen, werfen sich misstrauische Blicke zu und fliegen wieder zurück zur Basis. Zermürbend kann das sein für die Piloten, die Ambitionen haben und sich einen Namen machen wollen, um später noch Karriere bei der Air Force zu machen. Sehnsüchtig warten sie auf Kämpfe, auf mögliche Abschüsse. Langeweile prägt einen nicht geringen Teil des Aufenthalts in Korea, immer wieder schweifen die Gedanken ab, zählen die noch fehlenden Einsätze und spielen Angst und Erwartung gegeneinander aus. Wenn es zum Kampf kommt, gewinnen die Amerikaner. Es stellt sich nicht die Frage, ob das eigene Geschwader Verluste erlitten hat, interessant sind nur die abgeschossenen MiGs und die Sterne, die man dafür bekommt. Ein erfolgreicher Pilot ist ein kleiner Superstar, wird nach dem Einsatz von allen umringt und muss viele Male erzählen, wie es zum Abschuss kam, welche Manöver er flog, wie er letztlich die feindliche Maschine vor das Visier bekam und abdrückte. Prachtvoll sind solche Momente, die sich vom langweiligen Alltag so stark unterscheiden und dem Dasein in der Basis wieder einen Sinn geben. Ruhm und Ehre sind zu gewinnen, man muss nur hinaus und ein paar von diesen MiGs abschießen.

Salters Beschreibungen des Lebens auf dem Stützpunkt und der Lufteinsätzen sind sehr detailliert und in ein gemeinsames Netz geflochten. Was sich auf dem Boden abspielt, wirkt sich auf die Zusammenarbeit in der Luft aus. Die Piloten leben von der Konkurrenz, sie wollen verehrt werden für ihre Abschüsse, wollen mehr Abschüsse als die Kameraden und wollen um jeden Preis verhindern ihre einhundert Einsätze ohne einen Abschuss zu beenden. Nur ein Pilot mit Abschüssen ist ein wahrer Kampfpilot. Die Stimmung ist angespannt unter jenen, die noch keinen Erfolg verbuchen konnten, gelöst und freudig unter jenen, die sich mit Abschüssen überbieten. Der Protagonist des Romans ist ein erfahrener Pilot aus dem zweiten Weltkrieg, dafür wird er respektiert und mit der Leitung einer Einheit betraut. Ihm gegenüber steht ein jugendlicher Pilot mit großen Ambitionen und noch größerem Mundwerk, dazu gesellen sich ein paar andere Flieger, die nur ihre Zeit gesund überstehen wollen und andere, die vom Ruhm der bekannten Piloten leben, ihnen nacheifern und nachlaufen. Der Protagonist ist ein ernster Mann und glücklos, selten wird er in Gefechte verwickelt und kann nur schwerlich seinen Ruf aufrechterhalten. Das anfängliche Ansehen bröckelt zur gleichen Zeit da der Jungspund seine ersten Abschüsse verbuchen kann und den erfahrenen Vorgesetzten in den Schatten stellt. Das Gleichgewicht unter diesen sportlich gesinnten Soldaten wird immer prekärer.

Jäger ist eine Geschichte über Ansehen, Ambitionen und Angst vor dem Versagen, der Krieg meist nur karge Bühne. Die Ehrerweisungen innerhalb der Pilotengruppe bedeuten die Welt auf der kleinen Basis im Süden Koreas, deshalb bestimmen Zweifel die Gedanken der Glücklosen, während sie den Reden der Erfolgreichen zuhören müssen.

Die Bedeutung des Ruhms und der Einsätze wächst im zweiten Abschnitt des Buches, da plötzlich der Krieg zum Krieg wird und auch auf amerikanischer Seite Verluste zu melden sind. Dramatisch erscheint die Wendung und beeindruckend die Reaktion auf Seiten der Piloten. Sie feiern ihre Erfolge gleichermaßen, so als gäbe es keine Verluste. So wenig wie zuvor die abgeschossenen Piloten der gegnerischen MiGs Beachtung fanden, so wenig wird sie den eigenen Kameraden zuteil, denn nur die Sieger und ihre Abschüsse und Sternchen zählen.
Die kriegerische Wendung in diesem Roman gibt ihm viel Tiefe als kritischen Kommentar der Dynamik innerhalb militärischer Einheiten. Das sportliche Fliegen und Schießen wird letztlich entlarvt und seinem edlen Antlitz beraubt, die Toten werden ignoriert im Siegesrausch der Überlebenden und das Ansehen, welches mit den Sternen kommt, über alles gestellt. Ein seltener Einblick in das Geschehen über den Wolken, menschlich und unmenschlich zugleich, bewegend und ermüdend in seinem Detailreichtum.

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