Der Ozean am Ende der Straße

  • New York: William Morrow, 2013, Titel: 'The Ocean at the End of the Lane', Originalsprache
  • Köln: Lübbe Audio, 2014, Übersetzt: Hannes Jaenicke
Der Ozean am Ende der Straße
Der Ozean am Ende der Straße
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Kathrin Plett
751001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2015

Eintauchen in eine Welt voller Fantasie und fremder Wesen

Mit zeitlicher Distanz wirken Kindheitserinnerungen oft ganz anders, bei manchen Begebenheiten kommen vielleicht sogar Zweifel auf, ob sie wirklich genau so stattgefunden haben oder ob sie eventuell nicht doch anders abgelaufen sind und aus kindlicher Sicht verzerrt wahrgenommen wurden: War die Schule am ersten Schultag wirklich so viel größer als in den Jahren darauf, das Gewitter in der Sommernacht so schlimm und der Stromausfall, als die Oma die Kerzen nicht fand, so unerträglich lang? Fragen, die sich so mancher vielleicht stellt und an denen nichts ungewöhnliches zu finden ist. Doch wenn Zauberwesen in der Erinnerungen auftauchen, Menschen fliegen oder nicht altern, dann sind Zweifel mehr als berechtigt. Aber was, wenn man sicher ist, dass es genau so war und sogar viele Jahrzehnte später noch auf Beweise stößt?

Als ein Mann nach vielen Jahren anlässlich einer Beerdigung in seinem Heimatort zu Besuch ist, kommen bei ihm Erinnerungen an seine Kindheit auf. Auch wenn sich vieles im Ort verändert hat und sein Elternhaus nicht mehr steht, wandert er die Straße bis zum Ende entlang, bis er an ein altes Haus gelangt, das Haus der Familie Hempstock, in dem seine Freundin Lettie mit ihrer Mutter und Großmutter lebte. Die Gedanken wandern zurück in die Zeit, in der beängstigende Dinge im Ort passierten, der Ententeich zum Ozean wurde, ein gruseliges Wesen in Gestalt seines Kindermädchens sein Unwesen trieb und ihn bedrohte und ein dramatisches Ereignis geschah.

Neil Gaiman hat über 20 Bücher geschrieben und ist mit jedem namhaften Preis ausgezeichnet worden, der in der englischen und amerikanischen Literatur- und Comicszene existiert. Geboren und aufgewachsen ist er in England. Inzwischen lebt er in Cambridge, Massachusetts, und träumt von einer unendlichen Bibliothek.

Mit Der Ozean am Ende der Straße hat Neil Gaiman einen Roman verfasst, der mit seinen Gruselelementen an die fantastische Literatur des 19.Jahrhunderts erinnert, wenn auch in moderner Sprache. Der Autor entwirft eine unglaubliche und versponnene Story, die durch ihre surreale Welt nicht einzuschätzen ist, da die dargestellte Welt nicht den normalen Regeln folgt. Der namenlose Ich-Erzähler berichtet von seinen Erlebnissen mit der unheimlichen Kinderfrau Ursula Monkton, die aus einer anderen Welt in die Welt der Menschen gekommen ist und dort zur Bedrohung wird. Gemeinsam mit dem Nachbarmädchen Lettie versucht er, sie zurück in ihre Welt zu befördern, was zu einer lebensgefährlichen Aktion wird. Spannend und detailreich schildert der Autor das Geschehen:

 

„Sie schaute sich um, sichtlich verwirrt und beunruhigt. Richtete den Blick auf mich – nicht auf mein Gesicht, sondern auf meine Brust. Und lächelte. Dann erbebte sie. Gerade war sie noch eine erwachsene Frau gewesen, nackt, schmutzig, und im nächsten Moment war sie ein fleischfarbener Schirm, der sich aufspannte. Und während sie sich aufspannte, dehnte sie sich und packte mich, hob mich hoch, und streckte angstvoll die Hände aus und hielt mich an ihr fest. Meine Finger versanken in Fleisch. Ich befand mich fünf Meter über dem Boden, auf Höhe der Baumwipfel."

 

Gaimans Roman kann als eine Art modernes Erwachsenenmärchen verstanden werden. Er nimmt seine Leser mit in eine fremde Welt. Durch zahlreiche Einzelheiten fällt es nicht schwer, sich in den Protagonisten hineinzuversetzen und den Grusel selbst zu durchleben.

Alles in allem ist Der Ozean am Ende der Straße ein überraschend andersartiger Roman, der durch ein unverbrauchtes Thema überzeugt. Auch wenn die surreale Schreibweise nicht jedermanns Vorliebe ist, ein lesenswertes Werk.

Der Ozean am Ende der Straße

USA & Kanada, Lübbe Audio

Der Ozean am Ende der Straße

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