Der verschwundene Kater

  • Zürich: Dörlemann, 2014, Seiten: 120, Übersetzt: Manfred Allié
Der verschwundene Kater
Der verschwundene Kater
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Katharina Affholderbach
201001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2014

Die verschenkte Zeit

Der Klapptext ist das Aushängeschild eines Buches. Ist er interessant, verleitet er die Leser erst zum Kauf und dann zum Lesen des Buches. Auch der Klapptext von Mary Gaitskill Der verschwundene Kater erfüllt seine Aufgabe und regt zum Lesen an. Doch leider erfüllt der Buchtext nicht die Erwartungen, welche durch den Klapptext gesetzt wurden.

Auf knapp 120 Seiten kommt es zu verschiedenen Handlungssträngen um die Hauptperson Mary Gaitskill. Der wichtigste davon ist das Verschwinden von ihrem Kater Gattino, ein weiterer dreht sich um die Schwierigkeiten, die Mary mit dem jungen Caesar, einem Jungen aus armen und schwierigen Verhältnissen hat.

Es ist eins der großen Geheimnisse der Menschheit, warum manche Menschen sich besser mit den einen als mit den anderen verstehen. Der Leser ist in diesem Buch mit einer Hauptperson konfrontiert, deren Taten und Überlegungen er nicht immer nachvollziehen kann. Warum geht eine Frau, die behauptet absolut nichts von Wahrsagern zu halten, zu mehreren solcher, um diese nach dem Verbleib ihres Lieblingskaters zu fragen? Wie erwartet bekommt sie sehr unterschiedliche Antworten, die einen behaupten der Kater würde noch leben, andere behaupten, dass Gattino weggelaufen ist um zu sterben und sie nicht mit seinem Tod belasten wollte, und wieder andere sagen, dass es ihm schlecht gehe und er am Sterben sei. Zudem belächelt Mary ihre Schwester zunächst, als diese sich nur schwer damit abfinden kann, ihre Katze einschläfern zu lassen. Mary hat mehrere Katzen und vertritt die Meinung, dass man nicht allzu sehr an den Tieren hängen darf und wenn es an der Zeit ist, die Tiere auch gehen lassen muss. Doch als ihr Gattino verschwindet, werden ihr ihre zwei andern Katzen egal und sie sucht verzweifelt nach ihrem Kater und geht jedem noch so kleinem Hinweis nach.

Zwischendurch erfährt der Leser durch Rückblende, dass Caesar Mary und ihrem Ehemann durch den Fresh Air Fund, der „arme Stadtkinder (fast durchweg Schwarze oder Latinos) per Bus zum Besuch bei reichen Familien (fast durchweg Weißen) auf Land bring", vermittelt wurde. Mary hat oft Mühe Caesars Handlungen und Wutausbrüche zu verstehen und will ihm und seiner Schwester eine in ihren Augen bessere Zukunft ermöglichen, indem sie Feriencamps für die Kinder organisiert und auch teure Hobbies, wie Reiten, an den Wochenenden ermöglicht, außerdem schickt Mary Caesars Mutter Geld. Später einmal fragt Caesar: „Was ist denn das für ein Scheiß?" Gleich seiner Mutter empfindet er es als Beleidigung von einer fremden Person einen Lebensstil mit Geld aufgedrängt zu bekommen. Mary wird sich bewusst, dass sie mit ihrem eigenen Leben nicht zufrieden ist und es gewaltsam verbessern will, indem sie ihre Liebe an andere hilfsbedürftige Wesen hängt.

In dem Buch gibt es so viele Rückblenden, die zeitlich nicht genau bestimmt sind, dass der Leser sich sehr leicht in der Chronologie verliert, und er zum Teil nicht mehr weiß wann welche Handlungen passieren. Eine genauere und dynamischere Darstellung der Handlungsstränge wäre wünschenswert, um dieses Buch besser verstehen zu können. Marys im Klapptext angekündigte Suche nach sich selbst ist am Ende dieses Buches nicht wirklich abgeschlossen, sie stellt lediglich fest, dass „selbst wenn [Gattino] tot ist, ist er immer noch da", auch wenn „diese Idee [...] mit Sicherheit eine Illusion, eine Selbsttäuschung" ist. Die Autorin Mary Gaitskill hat den Ruf, dass „ihre Prosa durch die Offenheit in persönlichen Belangen besticht", diesem Ruf wird sie in dieser Erzählung gerecht. Doch die Erwartungen der Leser in anderen Aspekten werden nicht erfüllt.

Der verschwundene Kater

Mary Gaitskill, Dörlemann

Der verschwundene Kater

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