Die Schatzinsel

  • London: Cassel & Company, 1883, Titel: 'Treasure Island', Originalsprache
  • Bochum: Roof Music, 2013, Übersetzt: Harry Rowohlt
Die Schatzinsel
Die Schatzinsel
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Sebastian Riemann
851001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2014

Ein Goldschatz und viele Piraten - Der Klassiker

Jim Hawkins und Long John Silver, wer kennt sie nicht? Die beiden gegensätzlichen Helden des großen Klassikers von Stevenson gehören mittlerweile zum allgemeinen Kulturgut, jedes Kind weiß wer sie sind, träumt von Abenteuern, so wie sie Jim erlebt hat. In einer neuen Übersetzung erscheint die berühmte Piratengeschichte nun und lädt ein, nochmal zu erleben, was damals so mitreißend war.

Die Geschichte ist allgemein bekannt – Abenteuer auf See, Abenteuer an Land, Piraten, ein Goldschatz, noch mehr Piraten, Meuterei, Mord und Totschlag, Happy End.

Jim arbeitet im Gasthaus seiner Eltern, welches an der Straße nach Bristol gelegen ist, als eines Tages ein alter Pirat ein Zimmer im Haus bezieht und nicht mehr fortgehen möchte. Der Captain ist ein unangenehmer Zeitgenosse, meist betrunken, auf Streit aus und allzu unbekümmert bezüglich seiner Rechnung im Gasthaus. Bei sich führt er eine Schatzkarte, die andere Piraten nach sich zieht und somit das Leben von Jim Hawkins auf den Kopf stellt. Der blinde Pew leitet eine Gruppe skrupelloser Männer, die sich die Karte schnappen wollen - und bereit sind über Leichen zu gehen. Mit viel Glück können Jim und seine Mutter fliehen, der alte Captain stirbt noch bevor es wirklich zur Sache geht. Sobald der Gutsherr Trelawney von einem Goldschatz hört, beschließt er ein Schiff zu bemannen und sich auf den Weg zu machen, zusammen mit Doktor Livesey und natürlich Jim, dem Jungen vom Land, der nichts von der Welt gesehen hat und schon mit kommenden Abenteuern fantasiert.

Long John Silver wird als Koch Teil der Schiffsmannschaft. Er hat ein Holzbein und die Gabe Leute leicht zu überreden, so bringt er sich schnell in eine privilegierte Position und entscheidet welche Männer mitfahren dürfen, der Gutsherr ist nur allzu froh einen kompetenten Seefahrer zu haben, der sich nicht scheut, Entscheidungen zu treffen. Noch bevor das Abenteuer beginnt und der Schoner in See sticht, hat Long John Silver viel Einfluss gewonnen, ist ein zweiter Kapitän an Bord. Sogar Jim kann er überzeugen, dass er nicht der Pirat ist, vor dem ihn der alte Kapitän gewarnt hatte.

In einem Apfelfass sitzend muss der Junge aber bald mit anhören, wie der Schiffskoch seine Künste einsetzt, um Mitglieder der Crew auf seine Seite zu ziehen. Sobald der Schatz geborgen ist, sollen die ehrlichen Männer um die Ecke gebracht und das Gold unter den Meuterern aufgeteilt werden. Silver ist doch Pirat - von der schlimmsten Sorte. Zu ihrem Entsetzen müssen die Männer um den Gutsherrn Trelawney feststellen, dass ein Großteil der Mannschaft sich bereits auf Seiten der Piraten befinden. Einzig der Besitz der Schatzkarte bewahrt die Männer vor den Übergriffen der Piraten, die immer unruhiger werden, sich nicht mehr den Kommandos des Kapitäns beugen wollen. Die Bösewichte sind einfach gestrickt, sie wollen das Gold, mit wenig Aufwand, aber viel Rum – selbst einem alten Seefahrer wie Silver fällt es schwer, sie unter Kontrolle zu halten, doch letztlich kann er seine Überredungskünste wieder einmal gewinnbringend einsetzen und hält sie im Zaum diese Barbaren. Silver ist ihr Anführer, weil er die Brücke schlagen kann zwischen ihnen und der zivilisierten Welt, außerdem ist er der Einzige unter ihnen der ein wenig Verstand hat – er ist ein überlegtes Monster.

Als das Schiff vor der Schatzinsel vor Anker geht, ist die Situation sehr angespannt, der Moment der Meuterei steht bevor, doch der Kapitän verschafft sich und seinen Männern noch ein wenig Zeit, schickt die Deserteure an Land. Dort machen Silver und seine Handlanger kurzen Prozess mit allen Unentschlossenen: wer sich nicht ihnen anschließt wird sogleich erschossen. Jim Hawkins ist ebenfalls auf der Insel, obwohl seine Gruppe auf dem Schiff geblieben ist. Der Junge ist ein Abenteurer, handelt manchmal unüberlegt, setzt sein eigenes Leben aufs Spiel – zum Glück bringt er aber niemanden in Probleme und seine Absichten sind immer gut, er will nur helfen, auch wenn er selbst nicht weiß, wie er es machen wird. Jim Hawkins gehört zur Gruppe der anständigen Männer und nimmt unter ihnen eine besondere Position ein, da er ein Abenteurer ist. Er ist das Gegenstück zu Silver, er ist ein impulsiver, junger Gentleman. Die beiden teilen sich den Bereich zwischen den Extremen, zwischen wilden, blutrünstigen Piraten und gebildeten, überlegten Edelmännern.

Die Geschehnisse auf der Insel nehmen ihren Lauf, es kommt zum Kampf, auf beiden Seiten gibt es Verluste, Jim trifft auf den alten Piraten Ben Gunn, der vor einigen Jahren auf der Insel ausgesetzt wurde und nun dem Jungen helfen will. Nach einigen dramatischen Wendungen kommt es zum letzten Kampf, welchen die Piraten verlieren. Es gibt ein Happy End, welches lediglich getrübt wird durch die moralischen Bedenken von Jim Hawkins, der nie wieder zur Insel zurückkehren will, keine Lust auf weitere Abenteuer dieser Art hat, denn er musste lernen, dass die Gier nach Gold das Schlimmste im Menschen zu Tage fördert.

Moral und Ehre sind zentrale Themen im Buch, klare Grenzen sind gezogen zwischen den Piraten als schlechten Menschen und den ehrlichen Seefahrern, die einen Schatz suchen, sich dabei aber niemals zu niederem Handeln verleiten lassen. Als Patrioten zeichnen sich Letztere aus: Beim Kampf um das Fort auf der Insel verweigern sie das Einholen der britischen Fahne, auch wenn sie den Piraten ihre Lage verrät und somit beim Beschuss behilflich ist – der Union Jack steht über dem Leben des Einzelnen! Es erübrigt sich aufzuzeigen, dass Moral den Piraten unwichtig ist, bei ihnen ist nur jeder auf den eigenen Vorteil bedacht, Gemeinschaftsgefühl jeglicher Art kennen sie nicht. Der junge Jim Hawkins hingegen ist stets bemüht seinen Nächsten zu helfen. Zwar lässt er seine Gefährten im Stich, macht sich - angetrieben von kolossaler Abenteuerlust davon - während seine Hilfe im Kampf gegen die Piraten gebraucht wird, aber dies geschieht alles zum Wohl der Gruppe. Am Ende sind seine Expeditionen von Erfolg gekrönt und entscheidend für den Sieg über die Piraten – die moralischen Fehltritte sind also schnell vergeben. Aber den Jungen plagt sein Gewissen, da er gut erzogen und ehrlich ist, kann er nicht anders als sich schuldig zu fühlen, nicht zu verzeihen ist sein Verrat an den Freunden. Mitunter wirken die moralischen Zweifel übertrieben, der Text wie eine Predigt, sehr direkt, sehr eintönig, alle Rollen sind eindeutig verteilt, aber der Roman lebt nicht von der Vielschichtigkeit der Charaktere, sondern von den Abenteuern.

Andreas Nohl hat sich der Neuübersetzung des Klassikers und auch der Herausgabe angenommen. Die Schatzinsel ist ein weiterer Verdienst um die amerikanische Literatur, zweimal hat Nohl schon Mark Twain übersetzt, sowie St. Ives von Robert Louis Stevenson. Er ist vielfach tätig im Literaturbetrieb, ist selbst Schriftsteller und konnte sich besonders als Kritiker und Herausgeber einen Namen machen. Seine Übersetzung des vorliegenden Buches vermag es eine alt bekannte Geschichte in die sprachliche Gegenwart zu holen, der Text liest sich schnell und ist spannend, so wie ein Abenteuer sein sollte.

Der Text des Romans wird ergänzt durch drei Kommentare, von Stevenson selbst, von seiner Frau Fanny Van de Grift Stevenson, sowie von Lloyd Osbourne, dem Stiefsohn des Autors. Diese drei Ergänzungen geben sehr persönliche Einblicke, besonders erhellen sie die Rolle der Schatzinsel im Leben des Schriftstellers, der zuvor kaum Leser begeistern konnte, auf finanzielle Hilfe von seinem Vater angewiesen war und den kleinen Lloyd zwar als Erzähler begeistern konnte, jedoch als Autor unsagbar langweilte.

Stevenson hatte seinem Stiefsohn beim Malen geholfen und dabei die Karte der Schatzinsel hervorgebracht, sie diente ihm später als Inspiration für den Roman, der sich zwischen dem Jugendlichen (Jim Hawkins) und Erwachsenen bewegt. Die Schatzinsel ist einer der erfolgreichsten Jugendromane, aber mittlerweile auch allgemeines Kulturgut, Grundlage vieler weiterer Piraten- und Abenteuerbücher, das Material wurde unzählige Male verfilmt, gerne auch in aufwendigen Fernsehproduktionen. In Deutschland spielte Jürgen Vogel im Jahr 2007 einen der Piraten. In einer Hollywoodverfilmung im Jahre 1972 gab sogar Orson Welles den Long John Silver.

Auch für die Kleinen gibt es eine Version: Die Muppets machten sich in den 90ern ebenfalls auf die Suche nach dem verlorenen Schatz, natürlich mit viel Musik, Gesang und Witz.

Der Autor selbst machte klar, dass sein Werk für alle Leserschichten gedacht ist und die Aufnahme durch das Publikum entspricht durchaus seinem Wunsch, die Schatzinsel wird gern von jedermann gelesen.

Die Schatzinsel

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