Was am Ende bleibt

  • C.H. Beck
  • Erschienen: Januar 2000
  • 1
  • London: Macmillan, 1970, Titel: 'Desperate Characters', Originalsprache
  • München: C.H. Beck, 2000, Seiten: 200, Übersetzt: Sylvia Höfer
  • München: C.H. Beck, 2013, Seiten: 250, Übersetzt: Sylvia Höfer, Jonathan Franzen, Eike Schönfeld, Bemerkung: Mit einem Essay von Jonathan Franzen
Was am Ende bleibt
Was am Ende bleibt
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Rita Dell'Agnese
821001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2013

Von den Abgründen der Gesellschaft

Es ist ein an sich kleiner Vorfall, der jedoch große Wirkung zeigt: Sophie wird von einer streunenden Katze gebissen und gerät dadurch in eine ernsthafte Lebenskrise. So, wie sich der Biss langsam zu einer ernsthaften Entzündung entwickelt, verändert sich auch Sophies Wahrnehmung. Zunächst noch in der Rolle der Ehefrau gefangen, erwacht in ihr ein unbändiger Drang, sich von all den Zwängen zu befreien. Sie steht plötzlich vor der Entscheidung, im bisherigen Trott weiterzugehen oder ihre Situation zu hinterfragen und zu verändern. Doch diesen Prozess betrifft nicht nur Sophie. Auch Ehemann Otto macht eine Entwicklung durch, die das Bisherige in Frage stellt. So gerät die Beziehung der Beiden nach und nach zu einer Art Eiertanz, der vor dem Hintergrund einer zerfallenden Gesellschaft geschieht.

Subtil geht die Autorin Paula Fox mit dem Thema der gegenseitigen Abgestumpftheit und Gewöhnung um. Sophie und Otto stehen für ein absolut durchschnittliches Ehepaar mittleren Alters, das – da kinderlos geblieben – sich über Jahre hinweg darauf konzentriert hat, die Zweisamkeit in einem gegenseitig akzeptierten Rahmen zu leben. Nichts soll sich an diesem Bild ändern – darin sind sich die beiden zunächst in einer stillen Übereinkunft einig. Doch schnell müssen sie erkennen, dass der Veränderungsprozess bereits im Gange ist und der Strom sie längst erfasst hat und mittreibt. Beide hinterfragen nicht nur ihre Beziehung, sondern ihr ganzes Leben. Diese Entwicklung wird Schritt für Schritt sichtbar – und ist dank der ausgezeichneten Beobachtungsgabe der Autorin absolut nachvollziehbar.

Je weiter der Roman fortschreitet, desto klarer wird, was Paula Fox bezweckt: Sie stellt Sophie und Ottos Beziehung zwar in den Mittelpunkt, lässt sie letztlich aber lediglich Statisten sein in einem Drama, das sich mehr um die Entwicklung der Gesellschaft dreht, denn um die beiden Protagonisten. Auch hier beweist Paula Fox viel Beobachtungsgabe – und einen profunden Umgang mit der Sprache. Denn kaum etwas ist auf den ersten Blick sichtbar, vieles bleibt im Ablauf verborgen, scheint aber genügend intensiv durch, um es zu erkennen. Schnell wird dem Leser klar, dass der Biss der Katze nur der Stein ist, der die Lawine ins Rollen bringt. Obwohl immer wieder deutlich in Szene gesetzt, bleibt er Mittel zum Zweck. Dennoch verliert er bis zum Schluss nichts an Sprengkraft.

Dass der bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts veröffentlichte Roman nichts an Aussagekraft eingebüßt hat, zeugt von der Qualität des Buches. Paula Fox schreibt auf eine Art, die sich zeitlos gestaltet und auch über 40 Jahre später noch bewegt. Denn bis auf wenige Szenen, die vielleicht eine kleine Irritation auslösen können, ist nichts an diesem Roman so aufgebaut, dass er gegenüber der Gegenwart veraltet scheint. Wer nun denkt, die Geschichte sei gesichtslos, irrt. Paula Fox geht durchaus in die Tiefe, doch beschränkt sie sich auf das absolut Wesentliche. Sie skizziert die Zerrissenheit der Menschen, die sich plötzlich ihrer Illusion beraubt sehen und blinzelnd einer Realität gegenüber stehen, die sie noch vor kurzem erfolgreich verleugnet haben.

Nach dem Erfolg vor einigen Jahrzehnten ist Was am Ende bleibt in Vergessenheit geraten. Die Liebhaber tiefsinniger Psychothriller werden jedoch ihre Freude haben an diesem Roman. Denn so belanglos die einzelnen Sequenzen auf den ersten Blick erscheinen mögen, so viel Tiefe und Aussagekraft bringen sie letztlich mit. Allerdings verlangen sie von ihrem Publikum eine intensive Auseinandersetzung mit der Materie – nur so können die wahren Feinheiten des Romans erkannt und in vollen Zügen genossen werden.

Was am Ende bleibt

Paula Fox, C.H. Beck

Was am Ende bleibt

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