Die Stunde der Wale

  • Schwäbisch Hall: steinbach sprechende bücher, 2013, Seiten: 1, Übersetzt: Hans Jürgen Stockerl , Bemerkung: ungekürzte Lesung mit Walklängen
Die Stunde der Wale
Die Stunde der Wale
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Rita Dell'Agnese
751001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2013

Eine feinsinnige Betrachtung

Sergio Bambaren hat bereits mit einigen seiner Romane bewiesen, dass er jeden Moment zu einem besonderen Moment machen kann. Mit Die Stunde der Wale knüpft er an die bisherigen Erfolge an. Allerdings ist bereits ein leichtes Bemühen spürbar, die Spur zu halten und nicht abzudriften.

Dieses Mal hat sich Sergio Bambaren der Begegnung mit Walen verschrieben. Bambaren geht dabei ganz leise an das Thema heran. Er lässt sich auf eine Insel bringen, die in ihrer Schlichtheit einen besonderen Zauber auf den Autor ausübt. Wie immer beschreibt er die Situation aus seiner ganz persönlichen Warte heraus, stellt sich quasi als Protagonist in den Mittelpunkt des Geschehens. Das Publikum mag es ihm verzeihen – er tut es unaufgeregt und dezent. Schnell ist zu erkennen, dass Bambaren zwar die handelnde Person ist, nicht aber aus einem narzisstischen Bedürfnis heraus handelt.

Auf der kleinen Insel vor der Küste Kolumbiens lässt sich der Autor vom Gesang der Wale fesseln. Die Töne lösen in ihm eine Sehnsucht aus, die er dadurch stillt, dass er hinaus schwimmt, um dem Gesang zu folgen. Das, obwohl die Einheimischen ihn eindringlich vor der direkten Begegnung mit den erhabenen Tieren warnen. Tatsächlich taucht unvermittelt eine Walkuh auf – und auch ein Kalb. Sergio Bambaren wird von den beiden interessiert begutachtet und versteht es, seine Angst zu bezwingen, in dem er sich auf das Spiel der Walkuh einlässt und sich ruhig verhält.

Die Begegnung, die im Autor selber sehr viele intensive Gefühle auslöst, wird vom Ufer aus interessiert beobachtet. Die meisten Zuschauer gehen davon aus, dass der Schwimmer in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt und es einem unglaublichen Glücksfall gleichkommt, dass er diese Begegnung unbeschadet übersteht. Bambaren selber sieht das anders – nach dem Kontakt mit den Walen fühlt er eine tiefe Verbundenheit mit diesen Geschöpfen und erkennt, dass sie ihn ihm genau das gesehen haben, was er in sich selber sieht: Ein Besucher ihrer Welt. Nach seiner Rückkehr an Land muss sich der Autor nicht nur mit seinen eigenen, tiefen Erlebnissen auseinander setzen, sondern auch mit der Meinung des Publikums, die alle möglichen Facetten umfasst, dem eigentlichen, intensiven Moment nicht nahe kommt. Diese unterschiedliche Wahrnehmung fasst Bambaren optimal auf und vermag sie in wenigen Sätzen darzustellen.

Überhaupt bleibt sich der Autor auch in dieser Hinsicht treu: Seine Begegnung ist auf weniger als hundert Seiten dargestellt und liest sich sehr angenehm. Die Betrachtungen Bambarens – er geht höchst feinsinnig mit dem besonderen Moment um – haben keinerlei Ambitionen, einen Roman darzustellen. Es ist ein schön formuliertes, leicht philosophisches Leseerlebnis, das dem Leser geboten wird. Allerdings entspricht es nicht ganz dem Versprechen des Verlags, es würde sich um eine abenteuerliche Reise handeln. Denn Bambaren nutzt die Begegnung mit den Walen nicht etwa, um ein Abenteuer zu schildern, sondern, um sich und seine Haltung zu rechtfertigen. Hier tut er dem feinen Walbuch keinen Gefallen. Denn die geschilderte Begegnung mit dem Fan, anlässlich derer der Autor seine Sicht ausbreitet, weshalb er nicht zugunsten seines Sohnes auf Abenteuer verzichtet, wirkt wie eine verkappte Rechtfertigung. Ob sie als solche gemeint war, sei dahin gestellt.

Letztlich ist Die Stunde der Wale ein typischer Bambaren, der durch eine sehr schöne Verarbeitung besticht und zum kurzzeitigen Nachdenken bewegt. Das Potential, an die absoluten Höhepunkte wie etwa Der träumende Delphin anzuknüpfen, hat die Erzählung jedoch leider nicht. Hier sollten Leserinnen und Leser keine zu großen Erwartungen in die Erzählung stecken.

Die Stunde der Wale

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