Mutter bei die Fische

  • List
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Berlin: List, 2013, Seiten: 272, Originalsprache
Mutter bei die Fische
Mutter bei die Fische
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Andreas Kurth
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2013

Liebe, Leidenschaft und Chaos am Strand

Falk Thomsen ist Strandkorbvermieter auf Heisterhoog. Er hat noch ein paar Tage bis zum Beginn der Hauptsaison, und freut sich richtig darauf. Denn während des Winters ist es eher langweilig, deshalb geht es einmal wöchentlich zu den Proben des Insel-Chors. Und abends hängt er am Telefon, um sich mit seiner großen Liebe Gina zu besprechen. Die ist Architektin und arbeitet im fernen Berlin. Er hat also genug Zeit, und nimmt das Angebot des Bürgermeisters an, acht Wochen lang eine Mutterschaftsvertretung in der Kurverwaltung in Norderende zu übernehmen. Als in den Medien berichtet wird, dass vor der Küste von Heisterhoog ein Windpark gebaut werden soll, ist die Aufregung groß – Falk soll sich etwas überlegen, um die Buchungszahlen trotzdem hoch zu halten.

Ein Telefonat mit seinem Hamburger Kumpel Bertie bringt ihn auf eine scheinbar gute Idee. Weitere Aufregung entsteht als seine Mutter Grit für vier Wochen auf die Insel kommt, und sie heftig mit dem Fischbräter Piet flirtet. Richtig Stress bekommt Falk, als unangemeldet sein Vater auftaucht – nach 25 Jahren. Er hat seine Familie in dieser Zeit komplett ignoriert, und nun gibt es jede Menge Probleme in der idyllischen Urlaubwelt.

Marie Matisek erzählt in ihrem zweiten Roman über die fiktive Insel Heisterhoog – für die Amrum als Vorbild gedient hat – eine lesenswerte Geschichte über ganz alltägliche zwischenmenschliche Probleme. Die Autorin hat einen erfreulich lebendigen Schreibstil, und würzt ihre Geschichte mit ausgezeichneten Kenntnissen von Land und Leuten. Die nordfriesische Mentalität wird ebenso geschildert, wie die speziellen Befindlichkeiten in einem Urlaubsort an der Küste. Ihre Protagonisten sind dabei so richtig aus dem Leben gegriffen – und bedienen auch einige gängige Klischees. Falk ist beispielsweise ein sympathischer Tausendsassa, der möglichst Konflikte vermeiden möchte, und daher von einer Bredouille in die nächste gerät. Im Grunde möchte er seine Ruhe am Strand haben, Eis verkaufen, seine Strandkörbe vermieten, und von einer rosigen Zukunft mit seiner geliebten Gina träumen. Aber da machen ihm seine Mitmenschen äußerst gründlich einen Strich durch die Rechnung.

Das beginnt schon mit seinem vermeintlich lockeren Job in der Kurverwaltung, der sich als weitaus komplizierter heraus stellt. Denn sein Freund, der Bürgermeister, "holzt" ihm zusätzliche Aufgaben über, die ihn richtig in Stress bringen. Der von Onkel Sten geerbte Strandkorbverleih soll darunter nicht leiden, weshalb ihm sein stotterndes Faktotum Nille – eine geradezu köstliche Figur in diesem Roman - kräftig unter die Arme greifen muss, was zunächst auch akzeptabel gelingt. Aber das Auftauchen von Falks Mutter auf Heisterhoog streut ersten Sand in das gut geölte Getriebe der geliebten Routine.

Den Leser wundert es wenig, aber Falk will es allen irgendwie recht machen, und wenn dann abends Gina aus Berlin anruft und wieder aufgebaut werden muss, weil sie von ihren Chefs gnadenlos ausgenutzt wird, wird es emotional schon ganz schön eng für Sonnyboy Falk. Verwirrt ist er zudem durch den mehr als heftigen Flirt seiner Mutter mit Bratfisch-Piet, den er zunächst nicht so richtig einordnen kann. Das Chaos ist im Wortsinne komplett, als Falk aus der Not heraus den Komparsen des Filmteam in seiner Halle die Möglichkeit zum Übernachten gewährt.

Mari Matisek hat einen ebenso unterhaltsamen wie humorvollen Roman geschrieben, der sich perfekt als Urlaubslektüre eignet – es muss ja nicht am Nordseestrand sein. Die Protagonisten bedienen – wie erwähnt - einige gängige Klischees, aber das ist in meinen Augen entschuldbar, denn es wirkt authentisch und als Gesamtkomposition auch stimmig. Die Autorin überdreht dabei nicht, sondern Geschichte, Insel und Menschen wirken einfach glaubwürdig. Die Dialoge sind spritzig, es gibt viel Situationskomik, und so kann sich der Leser mit dem Buch prächtig amüsieren. Nach der Lektüre freut man sich schon auf die nächsten unterhaltsamen Eskapaden der Nordfriesen.

Mutter bei die Fische

Marie Matisek, List

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