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  • Zürich: Rotpunktverlag, 2013, Seiten: 168, Originalsprache
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Britta Höhne
631001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2013

Abgesteckter Lebensweg in einem Land, in dem nichts passiert

Nein, Isabelle Flükiger ist nicht größenwahnsinnig, weil sie ihrem Roman den Titel Bestseller verpasst. Den versucht nicht sie (vielleicht auch), sondern die Protagonistin ihres Buches zu schreiben. Aus einem einfachen Grund: Um Ruhm und Reichtum zu erlangen. Der Klappentext des 166 Seiten umfassenden Buches - der im schweizerischen Freiburg geborenen Autorin - verspricht viel. Nur leider verspricht der erste Text mehr - als das gesamte Buch. Schön zu lesen ist es dennoch.

Isabelle Flükigers Idee ist einfach: Sie packt das Leben zweier Menschen um die dreißig zwischen zwei Buchdeckel, die versuchen auszubrechen, aus dem Trott der sich Alltag nennt. "Wir haben Geisteswissenschaften studiert wie alle Welt, jetzt arbeiten wir wie alle Welt. Wir lieben uns, später werden wir Kinder haben. Der Weg ist abgesteckt." Nicht ganz, weil Leben auch mäandert.

Die Protagonistin des Romans arbeitet als Sekretärin in einem Kulturbetrieb. Gerne würde sie die schwangere "Pressetante" beerben, weil die ihre Arbeit nicht beherrscht. Dem Kulturbetrieb wurden Gelder gestrichen, die Ausstellungen laufen nicht so wie sie sollten, eine Prüfung steht bevor – alle bangen um ihre Arbeitsplätze.

Mathieu, der Teuerste der Ich-Erzählerin, bangt auch. Um seine Einstellung nämlich, seine Ideologien. Darum, ein gerechter Lehrer zu werden, der nicht vor drohenden Eltern kuscht, weil Geld im Spiel ist und der Nachwuchs unbedingt an die Uni muss. Das Paar muss rasch begreifen, dass es nichts bringt, sich auf seiner ausgemalten Lebensbahn auszuruhen, weil doch alles anders kommt – als gedacht.

Zuerst nämlich taucht der Kurde Said auf, politisch Verfolgt in seiner Heimat - und von Frittengestank in der Schweiz. Er wohnt über einem Bistro und weil er den Geruch des alten Fettes nicht verträgt, rennt er allabendlich durch die Straßen. Die Protagonistin kennt ihn flüchtig. Beherbergt ihn jedoch später und gibt ihm Obdach in der eigenen Wohnung. Nicht nur ihm: Auch Gabriel findet Unterschlupf bei dem durchschnittlichen Paar mit geradeaus geplantem Leben. Gabriel bewegt sich auf vier Beinen durch selbiges und ist ein kleiner Hund mit braunen Pfoten und exquisitem Geschmack. Und hier wird es kindisch. Natürlich ist der Hund niedlich, natürlich lenkt sein niedliches "Wuffwuff" vom Alltag ab und natürlich verlieben sich alle in den kleinen Vierbeiner, der offensichtlich nach einem Erzengel benannt wurde. Ganze philosophische Handlungen werden um ihn herum verbaut.

Said findet seine große Liebe, die Ich-Erzählerin und ihr Teuerster verlieren ihre Jobs. Was zunächst als großes Dilemma daher zu kommen scheint, erweist sich doch als Glücksgriff. Als Ausbruch aus dem Trott, als Zeit zum Leben und zum Lieben. Said geht wohl, Gabriel verschwindet so plötzlich wie er gekommen ist und alles geht seinen Lauf. Einen anderen zwar, aber einen, in dem es sich auch wunderbar einrichten lässt. Ein Trott wird vom nächsten eingeholt. Und das in einem Land, "in dem nichts passiert" - der Schweiz.

Isabelle Flükiger schreibt ohne zu stolpern. Wenngleich das Buch in einer Übersetzung aus dem Französischen vorliegt, ist es wunderbar zu lesen. Die Sprache der 1979 geborenen Autorin ist jung, rotzig zuweilen, aber nicht ohne Tiefgang. Flükiger nimmt sich der Schweiz an, kritisiert ihr Heimatland und die Eidgenossen, die sich so sicher darin zu wiegen scheinen, dass sie oft nicht bemerken, was außerhalb ihrer kleinen Trutzburg passiert. Rassismus macht sie zum Thema und die Ausländerpolitik ihres Landes. Sie haut drauf, zaghaft zwar, aber sie haut.

Während die Autorin Flükiger weiter an ihrer Karriere als Roman-Autorin arbeitet (sie hat schon diverse Preise bekommen), bastelt die Protagonistin weiter an ihrem Bestseller. Nach dem Rausschmiss aus ihrer Behörde hat sie viel Zeit. Zum Lieben. Leben und zum Schreiben.

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