Warte auf mich

  • Pendo
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • München: Pendo, 2013, Seiten: 320
Warte auf mich
Warte auf mich
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Rita Dell'Agnese
891001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2013

Eine letzte verzweifelte Ahnung von Nähe

Über eine "amour fou" zu schreiben haben schon einige Autoren versucht – manchen ist es gelungen, andere sind daran gescheitert, dass sich diese Art der verrückten Liebe nicht in Worten einfangen lässt. Einen besonderen Weg gehen Philipp Andersen und Miriam Bach – einen Weg, der sich genau so verrückt ausnimmt, wie ihre Liebe. Der etablierte Autor Philipp Andersen begegnet seiner jungen Berufskollegin Miriam Bach auf einer Verlagsparty. Die beiden blenden die Welt um sich herum vollständig aus, erleben diesen besonderen Moment der Begegnung in einer Intensität, die keinen Zweifel daran lässt, dass hier etwas seinen Anfang nimmt, das aus dem Ruder laufen wird. Miriam sträubt sich gegen diese Liebe. Sie hat eine Enttäuschung hinter sich und ist noch nicht bereit, sich wieder auf eine Beziehung einzulassen – erst recht nicht, da Philipp verheiratet ist. Und das erst noch glücklich, wie er sagt. Sie vermag sich der Anziehungskraft des wesentlich reiferen Philipp jedoch ebenso wenig zu erwehren, wie Philipp Miriam vergessen kann. Zunächst nur virtuell werben sie um einander und kommen sich dabei immer näher. Gegen ihre ursprüngliche Absicht lassen sie die Nähe schließlich auch Realität werden – und lösen damit eine Lawine von Gefühlen aus.

Es ist eine Geschichte aus zwei Perspektiven, die die Leser hier serviert bekommen. Zum einen erzählt Philipp sehr direkt, welche Gefühle Miriam in ihm ausgelöst hat und wie er versucht, mit ihrer speziellen Art umzugehen. Zum anderen wird aus der Perspektive eines Dritten die Situation von Miriam geschildert – und ihre ambivalente Einstellung zu dieser Liaison. Der Perspektivenwechsel bringt viel Tempo ins Geschehen hinein. Es verhindert das Abdriften in endloses Schmachten und erlaubt es den Lesern, sich ein umfassenderes Bild von der Situation zu machen. Damit greifen die beiden Autoren ein Genre auf, das nahezu in Vergessenheit geraten ist: Sie setzen eine moderne Form des Briefromans um. Anstelle der Briefe, die einen langen postalischen Weg zurückzulegen haben, greifen die beiden jedoch zu modernen Hilfsmitteln, kommunizieren über Social Media und Skype. Das hat – gegenüber den traditionellen Briefromanen – einen perspektivischen Wechsel zur Folge: Es ist nicht mehr der leere Briefkasten, den die Liebenden anstarren, während sie auf eine Nachricht des jeweils anderen warten. Vielmehr starrten die Beiden auf den grünen Punkt, der in allen möglichen Programmen anzeigt, dass der jeweils andere ebenfalls online ist. Diese virtuelle Präsenz wird zur Obsession.

Obwohl die beiden Autoren zahlreiche höchst intime Situationen beschreiben – intimer noch als eine bloße körperliche Liebesszene – bekommt der Leser nie das Gefühl, zu einer Art Voyeur degradiert zu werden. Vielmehr wird er zu einem stillen Teilhaber an der amour fou, die die beiden Protagonisten fest im Griff hat und sie eine wahre Achterbahn der Gefühle erleben lässt. Immer wieder taucht die Frage auf, ob man hier tatsächlich einen Roman in den Händen hält, oder die Beiden ihre eigene Geschichte beschreiben – doch man will daran glauben, dass es wahr ist, dass man hier eben eine unglaubliche Liebesgeschichte miterlebt.

Berückend ist aber nicht nur das Geschriebene, Erzählte, sondern vor allem auch die Art, in der es geschrieben und erzählt wird. Immer wieder werden poetische Momente präsentiert, die alleine durch die Ausdruckskraft der Sprache zu etwas Erhabenem, etwas Schönem werden. Der Wechsel in der Erzählperspektive lässt auch zahlreiche sprachliche Nuancen zu, die dem Roman viel Tiefe und Würze verleihen. So ist Warte auf mich ein Buch voller positiver Überraschungen. Selbst die unverkennbare Anlehnung an den Erfolgsroman "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer vermag den positiven Eindruck nicht zu trüben. Philipp Andersen und Miriam Bach legen einen soliden Boden, auf dem sich träumen lässt – und auf dem die verrückte Liebe gedeihen kann. Ein wunderbares Stück Lesekultur, das einer geschriebenen Umarmung gleich kommt.

Warte auf mich

Philipp Andersen, Pendo

Warte auf mich

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