Wir sind doch Schwestern

  • Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2012, Seiten: 416, Originalsprache
Wir sind doch Schwestern
Wir sind doch Schwestern
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Kora Kutschbach
801001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2013

Drei Lebensgeschichten eines Stammbaumes

Katty, Gertrud und Paula sind Schwestern. Schwestern, die auf ein langes von Höhen und Tiefen geprägtes Leben zurückschauen können und sich nun zu Ehren von Gertruds 100. Geburtstag treffen. Zeit, innezuhalten und in Erinnerungen zu schwelgen. Dabei weiß jede der Schwestern eigene Erlebnisse, Entscheidungen und Schicksale vorzuweisen, die nicht nur eitel Sonnenschein, sondern auch Missmut und Groll zutage fördern. Immerhin begleitete Liebe und Leid, Heimlichkeit und Verschwiegenheit die drei so unterschiedlichen Frauen, die sich glaubten gut zu kennen. Doch werden die Bomben der Vergangenheit die Feierlichkeiten zu Gertruds Ehrentag tatsächlich sprengen oder halten die Schwestern trotz allem zueinander?

Anne Gesthuysen studierte Journalistik und Romanistik und ist seit 1987 als Reporterin und Dokumentarautorin fürs Fernsehen tätig. Darüber hinaus ist sie dem Publikum als Moderatorin des ARD-Morgenmagazins bekannt. Die Wahlkölnerin, die als Kind das ländliche Idyll genossen hat, brachte mit der Erzählung um die drei Schwestern einen Roman zu Papier, dessen Geschichte sehr stark von den Persönlichkeiten ihrer Großtanten inspiriert worden ist, viele Details der eigenen Familienhistorie verarbeitet und diese in einen großzügig ausgeschmückten Kontext einbettet.

Drei verschiedene Lebensgeschichte, die nichtsdestotrotz stets eng miteinander verbunden bleiben, prägen den Verlauf dieses außergewöhnlichen Romans. Der Autorin ist es dabei gelungen, eine Zeitreise zu initiieren, deren Ecken und Kanten bis in das frühe 20. Jahrhundert reichen und gleichzeitig den Bogen bis in die jüngste Vergangenheit schlägt.

Jeder der drei Protagonistinnen wird hierbei ein persönlicher Rahmen zugedacht, den sie mittels der eigenen schicksalhaften Erinnerungen ausfüllt. Hierbei spielen die eigensinnige Gertrud, die fürsorgliche Paula und die resolute Katty so manche Karte aus.

Die zehrenden Kriegsjahre werden ebenso thematisiert wie zum Scheitern verurteile Liebesbeziehungen, Zwist zwischen den Schwestern und frühe Kindheitserlebnisse. Die unterschiedlichen Sichtweisen, die den jeweiligen Charakteren entsprechen, werden sowohl in Ausgestaltung, Tiefgründigkeit und Wortwahl herausgestellt. Das Für-, Mit- oder auch Gegeneinander der Schwestern wird stets anschaulich vermittelt:

 

"Gertrud beglückwünschte sich zu der Idee, Katty mitzubringen: Die Kleine hatte eine erstaunliche Wirkung auf Menschen"

 

heißt es an der einen Stelle, während Gertrud, deren menschliches Urteil als unbestechlich bezeichnet wird, aber auch wusste

 

"Katty würde sich niemals ein Fest entgehen lassen. Und wenn die zu feiernde Jubilarin zu krank war, würde Katty notfalls allein Hof halten."

 

Schwesternbeziehungen wie sie im Bilderbuch stehen – samt auf Auf und Ab – gab es immer, gibt es überall und wird es auch zukünftig geben.

Während die Tragik und Unerreichbarkeit mancher Träume das Miteinander der Hauptfiguren auf der einen Seite prägten, zieht sich nicht minder ein goldiger Humor – wohl als eine der Zutaten zu sehen, die zu einem gesegneten Alter führen – wie ein roter Faden durch die Erzählungen. Eine stilistische Nuance, die für reichlich Erheiterung sorgt. Urteilt Katty über das Erscheinungsbild ihrer Schwester an deren Geburtstag doch mit den Worten

 

"So, jetzt siehst du aus wie zwanzig."

 

Des Weiteren werden Gedanken laut, die sich ein jeder zum Wohlergehen geliebter Menschen macht: "Musste sie sich ernsthaft Sorgen um Gertrud machen? Hatte sie vielleicht nur eingewilligt, bei ihr zu wohnen, weil sie längst spürte, dass das Ende nah war?"

Glaubwürdigkeit und Schwung stellen in gleichem Hinblick beständige Eckpfeiler dieses Romans dar wie Rüstigkeit und eine gewisse Wehmut.

Erlebnisse, Werte und Erfahrungen, die das Leben ausmachen und die von Anne Gesthuysen auf angenehm nahbare und unverwechselbar eingängige Weise präsentiert werden. Eine Geschichte, die Bedächtigkeit in gleichem Maße veranschaulicht wie Übermut, Stolz und Angst vor dem Verlust, Erfülltheit ähnlich wie Leere. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um ein Werk, das der Institution Familie ihren Wert verdientermaßen beimisst.

Wir sind doch Schwestern

Anne Gesthuysen, Kiepenheuer & Witsch

Wir sind doch Schwestern

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