Schwindlerinnen

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2012
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  • München: Piper, 2012, Titel: 'Schwindlerinnen', Seiten: 448, Übersetzt: Hedwig M. Binder
Schwindlerinnen
Schwindlerinnen
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Rita Dell'Agnese
781001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 2013

Und plötzlich fällt die Maske

Lillemor Troj hat alles erreicht in ihrem Leben, wovon andere nur träumen. Als gefeierte Schriftstellerin kann sich die 80-Jährige in ihrem Glanz sonnen. Doch da taucht das Manuskript zu ihrem jüngsten Roman auf. Lillemors Verleger ist außer sich: Das Manuskript wurde nicht nur einem Konkurrenz-Verlag angeboten, es enthält auch Ungeheuerlichkeiten. Der Verleger stellt sein gefeiertes Zugpferd zur Rede. Doch Lillemor ist sprachlos. Denn sie hat keine Ahnung, was in diesem Manuskript steht. – Schon den Einstieg in ihren Roman "Schwindlerinnen" spickt Kerstin Ekmann mit amüsanten Details. Es braucht kaum Vorlaufzeit, um sich an der Geschichte festzusaugen und durch Lillemors Augen gleich mit zwei Wahrheiten konfrontiert zu werden. Zum einen ist es die Realität einer alten Frau, der unvermittelt ein Spiegel vors Gesicht gehalten wird. Zum anderen ist es die Realität einer unbekannten aber talentierten Schriftstellerin, die mit Lillemor eine Art Symbiose pflegt. Denn die erfolgreichen Bücher von Lillemor Troj stammen ausnahmslos aus der Feder von Barbor Anderson.

Welch herrliche Posse sich hier eröffnet, wird der Leser erst nach und nach erkennen. Lillemor liest das Manuskript, das den großen Schwindel der beiden Autorinnen im Detail aufklärt. Geschrieben aus der Sicht Barbors, versetzt mit dem Empfinden und den Erinnerungen Lillemors. Erinnerungen, die eine ganz andere Sicht der Dinge beleuchten. So wird der Leser  euge eines langjährigen Prozesses, in dessen Verlauf sich die beiden Autorinnen in eine Situation hinein manövrieren, aus der es keinen Rückzug zu geben scheint. Beiden ist klar, dass Barbor alleine durch ihre Erscheinung nicht denselben Erfolg hätte erzielen können, wie Lillemor. Obwohl Barbor ab einem gewissen Zeitpunkt darüber  nachdachte, sich von Lillemor zu lösen und ihre Autorenschaft einzugestehen, war ihr doch klar, dass sie damit den Untergang des erfolgreichen Projektes provoziert und weder sich noch Lillemor weiter gebracht hätte. So verharren die beiden Frauen in den jeweiligen Rollen, beide weder glücklich noch unglücklich – letztlich aber gefangen.

Schritt für Schritt arbeitet sich der Leser also durch das Leben der betagten Frauen. Er erlebt das exaltierte Verhalten Lillemors, mit dem sie sich gegen alle belastenden Gedanken abzugrenzen versucht. Je weiter sie im Manuskript vorstößt, desto intensiver tritt die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Frauen zutage. Lillemor, die sich während der Lektüre vom "normalen" Leben ausschließt und sich – freiwillig eingeschlossen in ihre engste Umgebung - ganz in ihre Gedankenwelt zurückzieht, lässt vor ihrem Auge all die Szenen nochmals ablaufen, von denen sie liest. Dass sie dabei den fehlenden Teil – jenen, den Barbor nicht wissen konnte – nachliefert, macht das Bild komplett.

Es dürfte dem Leser schwer fallen, seine Sympathie zu verteilen. Zwar scheint Barbor zunächst die Schwächere der Beiden, die hinter der extravaganten Lillemor zurückstehen muss – doch es wäre nicht Kerstin Ekman, wenn dieser Eindruck sich nicht immer mal wieder als trügerisch erwiese. Die Autorin macht es Lesern schwer, an einer einmal gefassten Meinung festzuhalten. Mit winzigen Details, die wie zufällig in den Roman einfließen, verschiebt Ekman das Gewicht von der einen auf die andere Seite und wieder zurück. Sie fordert den Leser dazu heraus, sich intensiv mit der Frage der Wahrhaftigkeit auseinander zu setzen. Selbst die Frage, wie wahrhaftig Barbor in ihrer Rolle als hässliches Entlein am Schreibpult ist, darf gestellt werden.

Mit Schwindlerinnen beweist Kerstin Ekman ihre Wandlungsfähigkeit als Autorin. Sie spielt geschickt mit der Illusion und verführt die Leser dazu, sich künftig wohl häufiger die Frage zu stellen, ob das, was man glaubt, sicher zu wissen, nicht alles nur ein Trugbild ist.

Schwindlerinnen

Kerstin Ekman, Piper

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