So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren

  • : Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, 2012, Titel: 'So bin ich eben', Seiten: 240, Übersetzt: Herbert Fell
So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren
So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren
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Rosie Sabel
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Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2012

Ne me quitte pas

Juliette Gréco, wer kennt sie nicht? Legendäre Grande Dame de la Chanson, unverwechselbare Stilikone und Muse des französischen Existentialismus. Mit "So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren" hat sie dreißig Jahre nach dem Erscheinen von Jujube ihre zweite Biographie vorgelegt. Sie soll eine Danksagung sein an ihre vielen treuen Wegbegleiter, aber auch ein Weg, um ihrem Publikum näherzukommen. Was ihr mit vielen sehr persönlichen Einblicken, schonungsloser Offenheit und einer großen Portion trockenem Humor auch gelingt.

"Was soll aus ihr werden?" Juliettes Großmutter hätte sich die Sorge um ihre Enkelin ersparen können, denn in ihrer Familie "vererbten die Frauen der nächsten Generation ihren Vornamen – und als Zugabe ihren starken Charakter". Juliette, 1927 geboren, wuchs bei ihren wohlhabenden Großeltern in Bordeaux auf. Ihre Mutter war in der Résistance aktiv, zusammen mit ihr und ihrer älteren Schwester wurde Juliette 1943 von der Gestapo verhaftet. Nach drei Wochen Haft wurde sie entlassen und schlug sich nach Paris durch, wo sie auch nach dem Krieg blieb.

Nach Kriegsende war die Freiheit da, die alles betraf: "das Reden, den Körper, den Kopf. Paris war der freieste Ort der Welt." Schnell gehört Gréco zur Bohème des Pariser Künstlerviertels Saint-Germain-des-Prés. Sie eröffnet die Diskothek Tabou, die neben dem Café de Flore und dem Deux Magots zu einem Treffpunkt der Existentialisten wird. Das Bistro wird "ihre Universität", hier treffen sich Intellektuelle, Künstler und Literaten wie Sartre, Camus, Picasso, Sagan, de Beauvoir u.v.m. Gréco hört ihnen begeistert zu und freundet sich mit ihnen an. Kein Geringerer als Jean-Paul Sartre schreibt den Text für ihr erstes Chanson. Neben ihrer Gesangskarriere arbeitet sie auch als Schauspielerin mit Weltstars wie Audrey Hepburn und Errol Flynn.

Mit entwaffnender Ehrlichkeit und allgegenwärtiger Contenance lässt Juliette Gréco uns auf 210 Seiten, vielen Fotos und im Anhang "Das ABC meines Lebens" an ihrem prall gefüllten, wechselvollen Leben teilhaben. Wir erfahren, dass sie sich zeitlebens vergeblich nach der Liebe ihrer Mutter gesehnt hat. Wir erfahren von unveränderlichen Ritualen vor Auftritten, von Lampenfieber und Versagensängsten. Und einem Selbstmordversuch. Wir erfahren von einer Abtreibung, bei der sie fast starb, der Preis für ihre sexuelle Freiheit.

Sie heiratet insgesamt dreimal, u.a. Michel Piccoli, doch "das Eheleben ist einfach nichts für sie". Sie gönnt sich Affären, auch mit Frauen, denn sie "wollte schließlich nicht als Idiotin sterben." In den achtziger Jahren verliert sie an Popularität, erlebt jedoch in den letzten Jahren dank ihrer Zusammenarbeit mit jungen Komponisten eine Renaissance. Trotz eines leichten Herzinfarkts tritt die scheinbar Alterslose, heute 85-Jährige, weiterhin auf.

Egal was passiert, Gréco macht weiter und verliert niemals ihre Würde. "Selbst wenn ich liege, tue ich das in einer aufrechten Haltung". Sie ergraut früh, lässt sich kurzerhand die Haare färben und wird zur Stilikone. Ihren unverwechselbaren Stil schwarze Haare, tiefer Pony und stark umrandete Augen hat sie bis heute beibehalten. Trotz diverser Rückschläge gilt ihre Liebe stets dem Singen "Gibt es etwas Schöneres als Worte, die von der Musik auf die Reise geschickt werden?"

Juliette Gréco ist niemals so populär wie Edith Piaf, ihre Chansons gelten als zu politisch und intellektuell für die breite Masse, einige durften in den Sechzigern nicht gespielt werden. Was Gréco nicht davon abhält, weiterhin die Texte zu singen und die Dinge zu tun, von denen sie überzeugt ist. Sie geht ihren unkonventionellen Weg voller Chuzpe unbeirrt weiter. "Mein ganzes Leben habe ich für die Freiheit des Handelns und das Recht gekämpft, dass jeder sagen kann, was er denkt."

Juliette Grécos Biographie ist eine spannende Zeitreise durch ein unangepasstes Leben voller Freiheit, Leidenschaft und Kunst. Ein faszinierendes Stück philosophischer und musikalischer Zeitgeschichte. Und selbstverständlich ein absolutes Muss für jeden Fan.

So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren

Juliette Gréco, Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann

So bin ich eben. Erinnerungen einer Unbezähmbaren

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