Peehs Liebe

  • Stuttgart: C. H. Beck, 2012, Titel: 'Peehs Liebe', Seiten: 222, Originalsprache
Peehs Liebe
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Britta Höhne
601001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2012

Von Reisen, die nur im Geiste geschehen

So mancher Leser wird sich von Zeit zu Zeit fragen, woher die Schriftsteller ihre Ideen nehmen? Warum sie selbst, als "Nur"-Leser, der Fantasie eines "Auch"-Schreibers, nicht das Wasser reichen können, ihnen die Eingebungen fehlen, schlicht, die Handlungen. Norbert Scheuer weiß Geschichten zu erzählen, das hat er schon oft bewiesen. Diesmal allerdings hat er mit "Peehs Liebe" zuviel auf einmal versucht. Geschichten hatte er im Kopf, zusammengefasst hat er sie auch, zu einem vierfarbigen Flickenteppich – nur leider nicht schön. 

In Scheuers neustem Roman geben sich Günter Grass` Oskar Matzerath aus der Blechtrommel und der Kleine Zaches, genannt Zinnober, von E.T.A. Hoffmann die Hand. Was durchaus Spannung birgt, wird verwässert, weil Scheuer es nicht bei einem, oder vielleicht zwei Erzählsträngen belässt, sondern auf vier Ebenen zu jonglieren versucht. 

Die Hauptfigur des Romans heißt Rosarius Delamot. Er weiß nicht, wer sein Vater ist, ein Archäologe vielleicht, der in der Wüste verschollen ist. Delamot weiß vieles nicht. Wächst nicht, spricht nicht und verlangt dem Leben auch sonst nicht viel ab. Eine liebende, zum Ende hin verwirrte Mutter wacht über ihn und scheint, in ihm das ewige kleine Kind zu sehen. Scheuer, der sich den Titel des literarischen Chronisten der Eifel längst erarbeitet hat, verleiht seinen Charakteren ganz besondere Züge, wie eben bei Delamot zu beobachten ist. Zwar scheinen viele seiner Funktionen nicht zu funktionieren, aber er erfährt das wohl wichtigste im Leben eines Menschen: Die Liebe. Wenngleich "Peeh", eigentlich Petra, nur ist Delamot nicht in der Lage, den Namen zu formen, seine Neigungen nicht erwidert.

Protagonist Delamot ist - neben all den anderen Protagonisten – die wohl ungewöhnlichste Figur. 23 Jahre lang spricht er nicht und grummelt und summt unverständlich vor sich hin. 23 Jahre lang ist er auf der Suche nach seinem Vater, sich selbst und dem Sinn des Lebens. Er ist wohl das, was als Inselbegabt bezeichnet werden kann. Zwar fällt es ihm schwer, selbst die Schuhe zu zu binden – aber er vergisst nichts, sei es auch noch so banal. Dann wird er vom Fußball-zurück-ins-Feld-Werfer, zum zweiten Forrest Gump. Plötzlich steht er im Tor, hält jeden Ball. Seine Mannschaft gewinnt. Er ist der Held. Doch er bleibt keiner.

Scheuer erzählt die Geschichte des kleinwüchsigen Schweigers liebevoll, mit Hingabe, nur scheint ihm dieser Strang alleine nicht zu reichen. In der zweiten Ebene gibt der 1951 geborene Autor die Sicht eines auktorialen Erzählers - in Person der Altenpflegerin Annie - wieder. Annie wird Peeh. In dem Altenheim, in dem Delamot sich schon rechtzeitig in Richtung Ziel begibt. Als dritten Strang lässt der Eifel-Schreiber die Notate eines Archäologen einfließen, die zweifelsohne interessant sind, aber sind sie auch notwendig? Und zu guter Letzt, und da gilt es nachzuforschen, wird Hölderlins "Hyperion" bemüht. Immer und immer wieder. Wenn es passt, oder eben auch nicht.

Viele feine, kleine Anekdoten begeistern. Viel Menschliches auch. Der Wunsch der Eifel-Bewohner, aus der Heimat auszubrechen, andere Länder zu sehen, um dann doch nur im Laster durch die Gegend zu fahren, um die Welt im Geiste zu erleben. Der kleine Delamot ist dabei der eigentlich Große. Wenngleich zum Schluss verwirrt und in den Armen einer verirrten Altenpflegerin gefangen. Verirrt, weil sie die Liebe des alten, kranken Mannes annimmt, seine Träume, Wünsche, Sehnsüchte und streckenweise seine Träume. Ihre eigen – und das ist gut – lebt sie zum Schluss noch selber aus.

Norbert Scheuer hat was Großes versucht und sich doch in den Fängen seiner Fantasie verheddert. Schade, Rosarius Delamot ist so umfassend, bunt, er hätte ausgereicht, einen ganzen Roman alleine zu füllen. 

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