Das Affenhaus

  • New York: Spiegel & Grau, 2010, Titel: 'Ape House', Seiten: 306, Originalsprache
  • Köln: Random House Audio, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Hannes Jaenicke
Das Affenhaus
Das Affenhaus
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Jürgen Priester
751001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2011

Affen sind die besseren Menschen

Sara Gruen, die in Kanada geborene, jetzt in North Carolina lebende Autorin legte mit Das Affenhaus ihren vierten Roman vor. Der Vorgänger Wasser für die Elefanten, auch ein US-Bestseller, wurde mit Reece Witherspoon und Christoph Waltz in den Hauptrollen verfilmt. Gruen ist eine große Tierliebhaberin. In ihrem Zuhause tummelt sich eine ganze Menagerie von Vierbeinern. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Tierwelt einen prominenten Platz in ihren Romanen einnimmt. In Das Affenhaus geht es naheliegend um des Menschen nächste Verwandte, den Menschenaffen – genauer den Bonobos, jene Zwergschimpansen, die für ihre besondere Kommunikationsfähigkeit bekannt sind. Sara Gruen hat im Vorfeld ihres Romans umfassende Recherchen durchgeführt, die sie u.a. zum "Great Ape Trust" in Des Moines, Iowa, führte, einem Studiencenter, das sich ganz der Kommunikation mit Primaten widmet. Ihre Erfahrungen im Umgang mit den dortigen Bonobos sind reichlich in ihre Erzählung eingeflossen und geben dieser einen authentischen Charakter. Auch im Roman gibt es ein spezielles Primaten-Zentrum, mit dem auch die Geschichte beginnt. Aber das titelgebende Affenhaus steht woanders und hat einen völlig anderen Zweck.

Isabel Duncan ist Leiterin des Sprachlabors am Menschenaffen-Zentrum in Kansas-City. Als Tierpsychologin und Verhaltensforscherin obliegt ihr die Aufgabe, Lernprogramme zu erstellen und anzuwenden, um die Sprachentwicklung der im Institut ansässigen Bonobo-Population zu fördern. Es ist den Affen zwar nicht möglich, sich in der englischen Sprache auszudrücken, aber sie verstehen sie und antworten mit Hilfe von Lexigrammen auf einem Computer oder drücken sich in der amerikanischen Gebärdensprache aus, die sie zu lernen fähig sind. Isabels tagtäglicher Umgang mit den Schimpansen hat sehr individuelle Züge angenommen. Gleichwie Isabel die Bonobos als ihre Familie ansieht, so haben diese Isabel in ihre Gemeinschaft integriert. Eine künstliche heile Welt, in der viel Schabernack getrieben, aber auch Erstaunliches geleistet wird. Doch jeden Tag versammeln sich einige Tierschützer, denen Institutionen dieser Art grundsätzlich suspekt sind, vor dem Gelände und demonstrieren. Als das Institut von einem Bombenattentat erschüttert wird, bei dem Isabel Duncan lebensgefährlich verletzt wird und die Affen Reißaus nehmen, geraten die Tierschützer unter Verdacht. Während Isabel noch im Krankenhaus liegt, sind die Affen plötzlich verschwunden. Eingefangen und verkauft – heißt es, aber über nähere Umstände weiß niemand Bescheid. Eine bange Suche beginnt.

Parallel zum Haupthandlungsstrang entwickelt Sara Gruen die Geschichte von John Thigpen, dem glücklosen Reporter, und seiner Frau Amanda, einer Romanautorin, die auch nicht gerade vom Erfolg verwöhnt wird. John hatte Isabel Duncan und ihre Bonobos kennengelernt und  die Reportage über dieses Treffen sollte seine Story werden. Doch eine skrupellose Kollegin jagt ihm die Story ab. John wird dazu degradiert, über den Kehricht in den Straßen Philadelphias zu berichten. Ziemlich frustriert folgt er seiner Frau nach Los Angeles, wo diese sich mittlerweile als Drehbuchautorin von äußerst zweifelhaften Produktionen verdingt. Hier im Westen trifft John Isabel Duncan wieder, die immer noch in Sachen Bonobo unterwegs ist.

Wenn Wehrlose, Schutzbedürftige oder Unschuldige – sei es Mensch oder Tier – in verbrecherische Machenschaften verstrickt sind, geht es dem Leser schnell an Herz und Nieren. Das Schicksal der hier verschollenen Bonobos mit all ihrer "Gutmenschlichkeit" nimmt einen unwillkürlich gefangen, auch wenn die Autorin manchmal die Grenze zum Kitsch streift.

Während der Lektüre fragt man sich die ganze Zeit, welche Bedeutung der Handlungsstrang mit John und Amanda für die "Affen"geschichte haben mag. Berührungspunkte gibt es nur am Anfang und am Ende. Die ausführliche Schilderung ihres Zusammenlebens – beider berufliche Probleme, ihre bedingungslose Liebe, der unerfüllte Kinderwunsch – nimmt einen viel zu großen Raum ein, als dass man ihr kompliziertes, von vielerlei Konventionen bestimmtes Leben nur als Kontrastprogramm zu dem einfach strukturierten Dasein der Bonobos sehen könnte. Fehlte da der Autorin der Mut, sich auf ihre Affengeschichte, die doch alles bietet – Originalität, Spannung und Witz - zu konzentrieren?  John und Amandas Geschichte ist viel zu trivial (Jammern auf hohem Niveau), als dass ihr ein solcher Stellenwert beigemessen wird. 

Der Mensch degradiert seine Welt zum Affenhaus, indem er alles zu vermarkten sucht, was er für vermarktbar hält. Egal, ob Menschen sich in Reality-Shows wie "Big Brother" selbst zum Affen machen oder das natürliche Sexualverhalten der Bonobos wie hier zur Schau gestellt wird, Hauptsache, die Einschaltquoten stimmen – und sie stimmen!  Sensationslüsterne Zurschaustellung und Missachtung jeglicher Intimsphären gehören zum medialen Alltag. Wenn selbst die als seriös geltende "Tagesschau" einerseits die respektlose öffentliche Aufbahrung des Ghaddafi-Leichnams anprangert, andererseits aber selbst diese grausigen Bilder ins deutsche Wohnzimmer überträgt,  zeigt nur, wie weit die Schere im Kopf der "Macher" auseinanderklafft.

Sara Gruens Affenhaus ist nun die USA und die Amerikaner sind den Deutschen in vielen Belangen, meist schlechten, immer voraus. Es würde keinen wundern, wenn Hilfestellungen krimineller Art, wie die Autorin sie hier darstellt, tatsächlich praktiziert würden.

Sara Gruen klagt nicht an. Sie sagt, schaut doch einfach hin auf euren Alltag – an was ihr euch ergötzt, was ihr stillschweigend toleriert. Aber die Autorin muss sich auch an ihre eigene Nase packen. Sosehr sie auch von "ihren" Bonobos begeistert ist und deren artgerechte Haltung in diesem Primaten-Zentrum lobt, die tierischen Bewohner sind auch nicht mehr als bessere Gefangene.Das sollte nicht vergessen werden.

Gruens teilweise humorvoller Plauderton, der sich leider zu sehr auf die Banalitäten des amerikanischen Familienlebens konzentriert, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Autorin ein ernstzunehmendes Anliegen formuliert. Die Affen im Affenhaus stehen nur stellvertretend für die gesamte Natur, die der Mensch zu eindimensional als wirtschaftlichen Faktor betrachtet, ausbeutet und zerstört.

Das Affenhaus

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