Für den Herrscher aus Übersee

  • Göttingen: Wallenstein, 2012, Titel: 'Für den Herrscher aus Übersee', Seiten: 137, Originalsprache
Für den Herrscher aus Übersee
Für den Herrscher aus Übersee
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Rita Dell'Agnese
701001

Belletristik-Couch Rezension vonNov 2012

So hört sich die heile Welt an

Nein, ein Roman ist Für den Herrscher aus Übersee nicht, auch wenn er auf dem Cover als solcher deklariert ist. Das Debüt der österreichischen Autorin Teresa Präauer hat den Charakter einer poetischen Erzählung – gepaart mit einer unbeschwerten Phantasie. Kindlich ist die Betrachtungsweise der beiden Protagonisten. Die Brüder leben momentan bei den Großeltern, die Eltern sind auf Weltreise. Von all ihren Stationen senden sie eine Ansichtskarte und lassen die Zurückgebliebenen auf eine eigentümliche Weise an ihrer Reise teilhaben. Viel mehr als das aber ist es die gleichermaßen naive wie weise Art des Großvaters, der die beiden Jungen in eine phantastische Welt entführt. Sie folgen dem in seiner eigenen Gedankenwelt behafteten Großvater nur zu gerne, lassen ihn erzählen und sich von ihm inspirieren.

Das also ist die Ausgangslage dieses poetischen Werks. Teresa Präauer sprengt die Grenzen des Konventionellen und hält sprachliche wie gedankliche Perlen bereit. Nicht jede von ihnen ist von schimmernder Schönheit, einige sind matt und stumpf, andere wirken leicht angekratzt. Doch die Gesamtheit der Betrachtungen formiert sich zu einer ungewöhnlichen Darstellung – halb aus Sicht der erzählenden Kinder, halb aus Sicht eines erwachsenen Unbeteiligten, der sich bereitwillig auf das eigenartige Spiel der Protagonisten einlässt. Dadurch entsteht eine Dichte, die bei gerade mal 137 Seiten erstaunlich ist.

Es braucht einige Momente, bis der Leser in den eigenartigen Duktus Präauers hinein findet. Sie mischt dichterische Elemente mit überraschend präzisen Beobachtungen. Dass dies ein Spannungsfeld erzeugt, liegt in der Natur der Sache. Dieser Spannung setzt sich der Leser also zunächst mal aus, ohne zu wissen, was ihn erwartet. Die Fliegerin, die ihn mit auf die Reise durch die Geschichte nimmt, lässt sich auf keine Art einordnen. Sie zwingt den Leser, sich ganz auf die Worte und ihre Melodie einzulassen – oder das Buch aus den Händen zu legen. Für den, der sich bereitwillig auf die Reise begibt, hält die Fliegerin einen Reigen bunter Bilder bereit. Nicht alle davon folgen einer logischen Anordnung. Viele sind willkürlich eingepasst, einfach um der Poesie willen. Der Leser ist jedoch von der Erzählung längst gefangen und lässt die Worte ohne Widerstand auf sich wirken.

Könnte man aufgrund des Klappentextes noch davon ausgehen, hier ein sozialkritisches Werk in den Händen zu halten, wird man bald eines Besseren belehrt. Die liebevolle Schrulligkeit des Großvaters und die etwas stärkere, aber ebenso liebevolle Hand der Großmutter lassen den Umstand, dass die Eltern ihre Kinder über längere Zeit zurücklassen, um ihrem Vergnügen nachzugehen, in Unerheblichkeit versinken. Das Eltern-Kind-Verhältnis ist nicht Thema der Erzählung. Es ist höchstens eine Erklärung dafür, weshalb die Umstände so sind, wie sie eben sind. Die Tage, die an den beiden Jungen vorbei ziehen, während sie verzückt den Erinnerungen ihres Großvaters folgen und aus dem Gehörten ihre ganz eigene Geschichte basteln. Wer selber das Glück liebevoller Großeltern genießen konnte, wird sich durch dieses sprachliche Stück heile Welt in seine eigene Jugend zurück versetzt fühlen. Wer diese besondere Beziehung nie leben konnte, wird sie nach der Lektüre mit einem leisen Bedauern im Herzen für einen Moment missen.

Präauers Poesie verlangt allerdings nach einer Begrenzung des Umfangs. Sie hat den richtigen Moment erwischt, um die Eltern zurückkehren zu lassen und der Geschichte ein Ende zu geben. Obwohl es sich hier um ein Wohlfühlbuch – wenn auch ein gewöhnungsbedürftiges – handelt, ist es gut, dass es ein frühes Ende findet. Sonst wäre die Gefahr zu groß, sich in den phantasievollen Wortkreationen zu verirren und den Bezug zur eigentlichen Geschichte zu verlieren. Ohnehin wird sich der eine oder andere Leser nach der Lektüre fragen: "Was genau wollte mir diese Autorin denn nun erzählen?"

Für den Herrscher aus Übersee

Teresa Präauer, Wallenstein

Für den Herrscher aus Übersee

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