Tony & Susan

  • : Luchterhand, 2012, Titel: 'Tony & Susan', Seiten: 416, Übersetzt: Sabine Roth
Tony & Susan
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Wolfgang Franßen
801001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2012

Schreiben

Wer einen Schriftsteller in seinem Freundeskreis weiß, wird irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob er denn mal was von ihm lesen will? Das ist ein zweischneidiges Schwert. Zwar wollen wir das natürlich, aber wie ist es dann, wenn es nicht gefällt? Sagen wir es unverhohlen, beschränken wir uns auf das, was uns an dem Roman gefällt oder loben wir es, obwohl wir es eigentlich gar nicht wollen? Schließlich sind wir ja nicht unbefangen. Hinter den Figuren vermuten wir immer jemanden, den wir kennen, im schlimmsten Fall uns selbst, und womöglich sind wir von dem Portrait, das uns da entgegentritt nicht gerade begeistert. Vor allem fragen wir uns, warum schreibt er gerade diese Geschichte? Ist sie ihm passiert? Warum benutzt er sie, um der Welt davon erzählen zu wollen?

Bei Susan Morrow ist es geradezu gefährlich, sich auf das Buch ihres Ex-Ehemanns Edward Sheffield einzulassen, das eines Tages mit der Post bei ihr eintrifft. Schließlich ist ihre Ehe mit ihm nicht zuletzt daran gescheitert, dass sich in ihr ein Mann zum Schriftsteller berufen fühlte. Edward hat seinen Roman damals immer und immer wieder umgeschrieben, ist in das Land seiner Geschichten geflüchtet, in das ihm niemand folgen konnte. Als Susan nun also die erste Seite von Edwards Roman "Nachttiere" aufschlägt, ist sie unsicher. Sie treibt die Frage um, warum er ihr das Skript überhaupt zum Lesen gibt. Will er ihr Urteil? Will er sich an ihr rächen, indem er ihr unter die Nase reibt, siehst du, ohne dich habe ich es zum Schriftsteller gebracht?

Austin Wright hat selber Kritiken geschrieben. Er kennt sich also aus, wenn es darum geht, welche Klippen es zu umschiffen gilt, um zum Kern einer Geschichte vorzudringen. Er weiß auch darum, dass ein Urteil zu fällen, bedeutet, womöglich zu kränken. Der 1922 in New York geborene Austin lehrte Englische Literatur an der University of Cincinnaty. Neben wissenschaftliche Veröffentlichungen hat er sieben Romane geschrieben. Der Mann kannte sich aus in der Welt der Literatur. 

Umso mehr überrascht es, dass er sich des Krimigenres bedient, um das Leben einer Ehefrau zu umzureißen, die als Aushilfslehrerin arbeitet, drei Kinder großzieht und die Frau eines Doktors ist, der an seiner Karriere bastelt und womöglich eine Affäre unterhält. Daraus hätte wunderbar ein gängiger Eheroman werden können. Im besten Fall ein Meisterwerk wie von Richard Yates oder John O’Hara.

Doch Wright bedient sich des Romans im Roman. Der Krimi dient dem Spannungsaufbau, des traumatischen Erlebnisses. Da fährt eine Familie zu einem Landhaus, wird auf der Straße von einem Verkehrsrowdy bedrängt, der Mann fühlt sich herausgefordert, lässt sich auf das Spiel ein und erweist sich als Feigling, als es hart auf hart kommt und drei Kriminelle seine Familie entführen. Der Plot ist trotz aller literarischen Bemühungen aufs Entsetzen hin gestrickt und bedarf vor allem gegen Ende einiger willkürlicher Scharniere, um zusammengehalten zu werden. Mehr sei darüber nicht verraten. Es gibt im Genre Krimi nichts Schlimmeres, als das Ende preiszugeben.  Nur so viel: der Held Tony Hastings, der neben Susan dem Buch den Titel gibt, ist ein Feigling und findet das im Verlauf der Geschichte über sich heraus. Seine Frau und seine Tochter werden grausam ermordet werden. Für ihn wird sich nicht nur die Frage stellen, hätte er es verhindern können? Er wird auch dauernd von seinen Ängsten bedrängt und gibt den verklemmten Rächer, wie den Verlierer, der alles am liebsten auf sich beruhen lassen würde. Interessant dabei die Frage: Wie weit darf ich nach so einem Schicksalsschlag gehen? Darf ich mich durch Lynchjustiz rächen, wenn die Gerechtigkeit versagt?

Austin Wright lässt Susan den Roman ihres Ex-Mannes kommentieren. Was zuweilen etwas klischeehaft dem Suspense dient. Viel spannender als die Frage, ob der Gerechtigkeit genüge getan wird, ist die Frage, was macht dieses Skript mit Susan? Verändert die Erfindung das Leben, das Susan durchhält? Womit der Autor die Grenze des reinen Genres sprengt. Ein etwas weniger vom Mainstream aufgeputschter Krimi wäre hier schärfer zur Geltung gekommen. Susans Geschichte droht, an vielen Stellen unterzugehen.

Der auch in anderen Romanen mit der Mechanik des Erzählens spielende Austin Wright, gelingt es in "Tony & Susan" wieder einmal die Frage zu stellen: Was ist real, was nicht? Gibt es etwas, auf das wir uns verlassen können? Auf uns selbst etwa? Auf das, was wir einmal über ein Ex-Ehemann gedacht haben?

Und inwieweit verbauen wir unser eigenes Leben, indem wir anderen im Wege stehen?

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