Mister Peanut

  • New York: Alfred A. Knopf, 2010, Titel: 'Mr. Peanut', Seiten: 335, Originalsprache
  • München: DHV - Der Hörverlag, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Boris Aljinovic
Mister Peanut
Mister Peanut
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Daniela Loisl
921001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2011

konfus, durchdacht und brutal offen im Knalleffekt

Da sitzt er nun, David Pepin, am Polizeiposten bei den Kommissaren Hastroll und Sheppard, die ihn zum Tod seiner Frau Alice vernehmen. Alice ist tot. Gestorben an einem anaphylaktischem Schock, ausgelöst durch Erdnüsse, auf die sie allergisch war. Ihr Mann hat sie tot aufgefunden - sagt er - hat er sie ermordet? Hat sie Selbstmord begangen, mit Erdnüssen? Alles ist rätselhaft und mühselig beginnen die Ermittlungen.    

Ein Krimi oder die Psychoanalyse dreier Männer?

Ein ungewöhnlicher Todesfall eröffnet das Szenarium und auf einem Schlag sind alle Hauptdarsteller des bizarren Films auf der Leinwand präsent. Alice Pepin, die (jetzt) schöne Ermordete ist Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte und wenn man erst Näheres von ihr erfährt, schwankt man sehr, ob man sie denn nun überhaupt sympathisch finden soll.

Eigentlich ist Alice eine ungewöhnlich große Frau, mit langen dunklen Haaren, ungemein dick, nein, schier fett. Und David, ihr Mann, träumt nur davon wie es wäre, wenn Alice eines Tages plötzlich von irgendjemand ermordet werden würde. Und das, obwohl er sie liebt, seinen dicken Fleischklotz und stets Angst hat, dass sie sich streiten und ihre Beziehung auseinander gehen könnte. Und dann passiert eines Tages genau das, was David stets in seinen Träumen mit sich trug.

Aber dann sind da auch noch die beiden Kommissare, deren Seelen- und Privatleben nach außen hin auch besser scheint als es in Wirklichkeit ist.

Adam Ross stellt hohe Ansprüche an seinen Leser. Kaum glaubt dieser, den roten Faden gefunden zu haben, verknüpft der Autor diesen mit einer gänzlich anderen Begebenheit, um so alles in eine andere Bahn zu lenken, um nach wenigen Kapitel dasselbe Spiel von vorne zu beginnen. Schnell merkt man, dass man es nicht mit einem herkömmlichen Krimi oder Thriller zu tun hat, sondern vielmehr mit einer genauen Sezierung dreier männlicher Charaktere. Einerseits ist da das Leben David Pepins, das sich wie ein fein gewebtes Zelt auch über die ganzen Ereignisse von Hastroll und Sheppard legt, aber dennoch sind jedes für sich eigenständige Lebensgeschichten die nach und nach aufgerollt werden. 

Stetige Aufmerksamkeit beim Lesen ist gefordert

Ross erzählt flüssig und spannend. Stilistisch typisch Mann ist man gewillt anzumerken, denn der eine oder andere sexuelle Exkurs würde bei einer Frau wohl kaum in dieser Art geschehen (was aber nicht heißt, dass dies ein "Männerbuch" und nichts für Frauen sei!). Klar, und die Dinge beim Namen nennend, schnörkellos, direkt und geradlinig beschreibt er die einschneidenden und lebensprägenden Ereignisse der drei Männer.

Beginnend natürlich mit David, der seine Frau anscheinend so offensichtlich um die Ecke gebracht hat. Rückblicke zeigen, dass Alice alles andere als eine einfache Frau gewesen ist, die zwar hart vom Schicksal getroffen, in David dennoch stets eine Stütze gehabt hat. Was lief zwischen den beiden? Verschwand sie wirklich eines Tages, um David mürb zu machen, schrieb David wirklich ein Buch in dem er seine ganze Phantasie mit der Ermordung um Alice freien Lauf ließ und liegt das Skript irgendwo herum?

Und was ist mit Hastroll? Seine Frau Hannah bewegt sich seit Monaten nicht mehr aus ihren eigenen vier Wänden. Sie verläßt nicht mal das Schlafzimmer, das Bett ist ihr einziger Aufenthaltsort und sogar als ihr Mann die ganze von ihr so heißgeliebte Wohnungseinrichtung verscherbelt, ist ihr das egal und sie bleibt im Bett?

Oder Sam Sheppard, der seine frühere Frau nach Strich und Faden betrog und belog? Eine Affäre nach der anderen hatte, mit seiner Geliebten Susan auf "Geschäftsreise" ging, während seine Frau das Kind versorgte? Er, der bekannte und großartige Chirurg bekommt seine Triebe nicht in den Griff und als er eines Tages doch merkt, was er an seiner Frau hat, ist es zu spät? 

Abwechselnd erhält der Leser Einblick in die bizarren Welten dreier völlig unterschiedlicher Männer. Es wird einem erlaubt, sich in total fremde Persönlichkeiten zu begeben, die, psychologisch geschickt aufgerollt und analytisch seziert, einem doch irgendwie bekannt vorkommen. Gerade das Leben Sheppards ist es, das man schnell vor dem geistigen Auge hat, denn eine (gewollte) Anspielung auf einen bekannten Film entlockt einem bald ein "Aha, der ist das".

Skurill, undurchdringlich, fesselnd

Die ganzen Geschichten wirken in sich stimmig und schlüssig und dennoch kann man den Knoten, der diese drei verbindet, lange nicht finden. Auch wenn die einzelnen Erzählungen ein Bild geben, so versteht Adam Ross es sehr geschickt, das letzte Ende des Knäuels lange nicht aus der Hand zu geben. Er zieht und zerrt, entlockt dem Leser Spekulationen, damit er sie später wieder verwirft, hält ihn so am Gängelband und erst wenn er es als Erzähler für richtig hält, entlässt er das letzte Stückchen des Fadens, damit sich alles entrollt und in ein effektvolles, überraschendes Ende auflöst. 

Geduld und vor allem akribisch genaues Lesen mit Aufnahme jeglicher Details sei unbedingt empfohlen. Man muss sich auf dieses ungewöhnliche, aber zweifelsfrei beinah geniale Konstrukt dieses Machwerkes einlassen, dann erhält man eine bombastische und spannungsgeladene Geschichte mit ebensolchem Knalleffekt am Schluss.

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