Palo Alto

  • Eichborn
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • : Eichborn, 2012, Titel: 'Palo Alto', Seiten: 224, Übersetzt: Hannes Meyer
  • New York: Scribner, 2010, Titel: 'Palo Alto', Seiten: 193, Originalsprache
Palo Alto
Palo Alto
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Wolfgang Franßen
551001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2012

Am Anfang

Vor kurzem war in der SZ ein Foto des Hollywoodstars James Franco zu sehen. Auf dem steht der Autor mit schwarzer Krawatte im grauem Anzug neben einer weißen Wand, auf der mit roter Farbe wie mit Blut "Rebel" geschrieben steht. Der Mann weiß sich zu inszenieren und verleugnet seine Wurzeln nicht, denen er entstammt. 1978 wurde er im kalifornischen Palo Alto geboren. Wir dürfen also davon ausgehen, dass er die Gegend bestens kennt, die seinem Erzählband den Titel gibt.

Die Short Storys sind ein Sprung in Francos Jugend zurück. Mitten unter seine Freunde, unter womöglich wahre, wie verschleierte, wie erfundene Ereignisse. Elfjährige, Zwölfjährige, der Pubertät gerade entsprungene Halbwüchsige streifen durch die Straßen. Die Atmosphäre gleicht einem Sonntagnachmittag, an dem wir die Zeit tot schlagen müssen, oder einem heißen Sommertag, der es einfach nicht zulässt, dass wir aus dem Schatten treten, um mit unserem Leben etwas anzufangen.

Unter ihnen ragt eine Story wie "Tiere töten" heraus, die vom Bedürfnis erzählt, etwas abzuschießen. Erst mit einer Schleuder, dann mit dem Luftgewehr. Es reicht nicht, sich im Armdrücken zu messen. Es geht darum, wie weit kann ich gehen, mir zu beweisen, dass ich genug Mut, genug Kraft besitze, es mit der Welt aufzunehmen. An welche Grenzen stoße ich? Existieren überhaupt welche für mich? In dieser kurzen Geschichte zeigt sich, was aus dem Erzähler James Franco werden kann, wenn er seinen Weg weiter beschreitet.

Oft ist es so, als führten wir mir ihm in einer Bar ein Interview, und er erzählt uns von seiner Zeit damals. Wie das war Palo Alto. Er ist diesen Jungen und Mädchen begegnet, hat sie getroffen und sieht sie heute noch, wenn er durchs Viertel streift. Sie sind es, die dem Schauspieler den Stoff für die Rollen vorgeben, dem Schriftsteller die Geschichten aufnötigen.

Was in "Ferienlager" dazu führt, dass wir geradezu in Namen ertrinken und wir uns immer wieder orientieren müssen, wo wir gerade sind, mit wem wir es zu tun haben. Nicht nur hier würde eine Verknappung für mehr Schärfe sorgen. Die erste Story im Band, "Halloween", ist verglichen mit Stewart O’Nans gleichnamigen Roman, der sich auch um einen schicksalhaften Unfall dreht, so verhalten, dass sich das Gefühl aufdrängt, einen Schriftsteller zu beobachten, der sich an einem ausgelutschten Sujet ausprobiert.

Francos jugendliche Rebellion, sei es mit Sex, Verweigerung, offener Gewalt, entspringt der inneren Langeweile, der Perspektivlosigkeit, die gesprengt werden muss. Das lähmt den Erzählfluss zuweilen.

In der zweiten gelungen Story, in "Chinatown", in der ein Rudelbumsen mit Pam veranstaltet wird, die Jungs die Pornos aus dem Netz nachspielen, der Ich-Erzähler Pam gar für ein Essen an den Besitzer eines Restaurants ausleiht, gelingt es dem Autor, das alles als Gott gegeben darzustellen. So macht man das halt in Palo Alto. Als der Ich-Erzähler am Ende verhaftet, gar der Vergewaltigung angeklagt wird, versteht er die Welt nicht mehr. Was hat er getan? Jeder schaut, wo er bleibt. Ein bisschen Spaß müssen sie sich doch gönnen dürfen. Oder?

Wir bewegen uns durch die Welt der Immigranten, der zweiten Generation, durch die Jugend jener, die der amerikanische Traum in Motels, schäbige Wohnungen, zwischen Eltern verdammt hat, die genug mit sich zu tun haben. Die Zeit ist bei James Franco etwas, was im Übermaß zur Verfügung steht, in der sich keine Perspektive auftut.

Wer so fulminant in bester James-Dean-Manier den verletzlichen Rebellen gibt - wobei der Verlag soweit geht, im Klappentext "Denn sie wissen nicht was sie tun" zu zitieren - spürt auch der Ohnmacht nach, an der alle Rebellion zerschellen muss. 

Der Schriftsteller James Franco steht erst am Anfang. Er muss sich sprachlich mehr einlassen, als nur zu sammeln.

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