Chucks

  • München: Deutsche Verlagsanstalt, 2012, Seiten: 186, Originalsprache
Chucks
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Kathrin Plett
681001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2012

Konfrontation mit dem Tod

Tod. Wie soll es weitergehen, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Kann man weiterleben wie zuvor, wird man völlig aus der Bahn geworfen und verliert die Orientierung, oder wächst man innerlich und entwickelt eine ganz eigene Art, mit der neuen Situation umzugehen?

Es gibt viele Möglichkeiten, wie im Roman "Chucks" von Cornelia Travnicek deutlich wird. Ihre Protagonistin begegnet dem Tod gleich zwei Mal und beweist, dass auch der Tod kein Ende darstellen muss.

Mae wächst zunächst behütet und umsorgt in einer gut bürgerlichen Familie auf. Sie vergöttert ihren Bruder, der nur wenige Jahre älter ist als sie. Die Geschwister bilden eine Einheit, die brutal durch den frühen Krebstod des Bruders zerstört wird. Als die Ehe der Eltern an der Trauer zerbricht und sie nicht die notwendige Aufmerksamkeit und Fürsorge erfährt, gerät Mae auf die Straße, wo sie sich mit Tamara, einer drogenabhängigen Punkerin anfreundet. Mehr und mehr rutscht sie in die Szene, schmeißt die Schule, löst sich von ihren Eltern. Entgegen aller Prognosen gelingt es ihr, den Kreisen zu entkommen: Sie verliebt sich in einen Architekturstudenten und lebt fortan in seiner scheinbar spießigen Wohnung. Die noch abzuleistenden Sozialstunden aus ihrer Punkerzeit bringen sie jedoch mit dem HIV-positiven Paul zusammen, in den sie sich auch verliebt, so dass sie vom überkorrekten Jakob zum unkonventionellen Paul zieht. Das sich sein Leben dem Ende neigt, hat dabei keine Bedeutung, denn der Tod hat für ihn einen ganz anderen Stellenwert, wie Mae lernt...

Cornelia Travnicek ist ein Roman gelungen, der durch seine außergewöhnliche Erzählstruktur hervorgehoben werden muss. Die Autorin schildert die Handlung aus der Sicht ihrer Protagonistin Mae, jedoch auf eine Art und Weise, die zunächst relativ befremdlich wirkt. Erst im Laufe der Handlung und mit Auftauchen verschiedener Zeitebenen, eröffnen sich dem Leser ganz andere Perspektiven. Mae erzählt ihre Geschichte, dabei wechselt sie zwischen unterschiedlichen Abschnitten ihres Lebens, die sich nicht nur durch die Zeit voneinander abgrenzen, sondern durch die Lebensumstände unterscheiden: Ihre Kindheit, die sie zusammen mit ihrem Bruder verbracht hat. Die Zeit, die sie mit ihrer Mutter in beklemmender Atmosphäre alleine durchmacht. Ihr Straßenleben. Die Zeit mit Jakob und schließlich ihr Leben mit Paul, der ihr geholfen hat, die verschiedenen Stränge miteinander zu versöhnen, standen sie doch zuvor als sperrige und unvereinbare Episoden einer freien Zukunft im Weg.

Der Autorin gelingt es, die Entwicklung der Figur Mae nachvollziehbar darzustellen. Der Leser kann ihre Handlung, ihre Absichten zu jeder Zeit verstehen, akzeptieren und ist in der Lage, sich in sie hineinzuversetzen, da er über die Hintergründe weiß. Durch die "Ich"-Perspektive kommen die Gedanken, die Mae beschäftigen, zum Ausdruck. Ihre Ängste, Sorgen und Hoffnungen werden deutlich, so dass die Distanz zwischen Leser und Geschichte immer kleiner und man regelrecht hineingesogen wird. Mae wirkt authentisch. Travnicek berichtet offen und tabulos auch über schockierende Aspekte des Daseins. Über das Leben auf der Straße etwa, über die Krebserkrankung, über Aids und darüber, was mit dem Körper passiert, wenn es unweigerlich auf den Tod zugeht. Sie lässt Mae ihre eigenen Worte nutzen, schreibt frech und in Jugendsprache, so dass auch beim Leser keine Betroffenheit entstehen kann und deutlich wird, das Lebensfreude auch durch den Tod nicht verloren gehen muss.

Cornelia Travniceks "Chucks" ist ein durchaus lesenswerter Roman, der die Entwicklung  vom Mädchen zur Frau - durch schwere Krisen hindurch - beschreibt. Die interessante Erzählstruktur hebt einerseits die ansonsten eher klischeehafte Story von anderen Erzählungen ab.  Andererseits aber ist die Abfolge so verschlungen, dass der Leser erst spät in der Lage ist, die Zusammenhänge zu erfassen und die Struktur zu verstehen, so dass die Story stark leidet. 

Trotz ernstem Thema mangelt es an Tiefe, die über die oberflächliche Entwicklungshandlung hinausgeht.

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