Roman in Fragen

  • Berlin
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • : Ecco, 0, Titel: 'The Interrogative Mood', Seiten: 192, Originalsprache
  • : Berlin, 2012, Seiten: 192, Übersetzt: Harry Rowohlt
Roman in Fragen
Roman in Fragen
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Kathrin Plett
951001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2012

Nur Fragen. Keine Antworten

Ein Buch, das nur aus Fragen besteht. In dem es keine Antworten gibt. Handelt es sich dabei überhaupt noch um einen zusammenhängenden Roman? Viele Fragen, wie sie auch in Padgett Powells "Roman in Fragen" hätten gestellt werden können. Einem Roman, in dem es keinen Satz gibt, der nicht mit einem Fragezeichen endet. Lauter Fragen eben.

Der Roman des amerikanischen Autors lässt sich nur schwer beschreiben und man braucht gar nicht erst versuchen, die Handlung zu erklären, da das komplette Buch ohne einen durchgehenden roten Faden auskommt. Der Zusammenhalt bestimmt sich durch die Form: Die Aneinanderreihung von Fragen. Doch gerade das ist es, was der Story, wenn man es überhaupt so nennen kann, das Besondere verleiht und ein ganz neues Lesegefühl ermöglicht. Anders - als bei vielen anderen Romanen - ist es dem Leser hier nicht möglich, den Roman mal eben nebenbei zu lesen. In der Bahn etwa, oder in der Mittagspause. Dieser Roman verlangt seinem Leser besondere Aufmerksamkeit ab, wenn er seinen ganz eigenen Reiz entfalten soll. Erst dann ist der Leser in der Lage, die Magie zu spüren und kann die Fragen auf sich wirken lassen.

Powells überrascht mit seiner Art der Fragen. Er wechselt Themen, springt von Fragen, die unnötiges Wissen beinhalten, zu ganz persönlichen, entwaffnenden Fragen. Von banalen Fragen zu existentiellen Fragen, über das Leben zum Tod, von Peinlichem zu Ernstem. Der Leser wird überrumpelt, ertappt, dämmert er bei der einen Frage weg, wird er unter Umständen schon von der nächsten Frage gepackt und persönlich angesprochen. Dadurch, dass der Roman die Auseinandersetzung mit der eigenen Einstellung, Position und Meinung geradezu einfordert, ist es nicht ungewöhnlich, wenn der Leser, ohne es vielleicht selbst zu bemerken, stockt und seinen eigenen Gedanken nachgeht. Auch passiert es, dass manche Seiten nicht in der üblichen Geschwindigkeit gelesen werden, sondern länger dauern und einzelne Fragen in den Gedanken hängen bleiben. Hinterlistige etwa: "Glauben Sie, dass es mich immer noch interessieren kann, Ihnen Fragen zu stellen?" Verrückte: "Wenn Sie eine aufgegebene Toilette sehen, haben Sie den Impuls, sie zu reparieren oder irgendwie in den Stand ihrer verlorenen Würde wenigstens ein bisschen zurückzuversetzen?" Philosophische: "Ist Ihr Leben und das, was Sie damit anstellen, wichtig? Wie viel Prozent der Menschen, würden Sie sagen, halten ihr Leben für wichtig, und wie viel Prozent würden zugeben, dass es das nicht ist?" Skurrile: "Wenn Sie nur eine bestimmte Gattung von Lyrik mit auf eine einsame Insel nehmen dürften – würden Sie sich für metaphysische, rein poetische, experimentelle Sprachlyrik, Glückwunschkartenlyrik oder Cowboylyrik entscheiden?" Gerne auch mal platte: "Tragen Sie Pantoffeln? Oder einen Bademantel?" Man kann nie wissen, was für eine Frage einen als nächstes erwartet.

Gerade weil die Fragen so vielseitig sind und die verschiedensten Gebiete ansprechen, ist Powells Werk keiner bestimmten Zielgruppe zuzuordnen, sondern bietet Unterhaltung für alle. Und wenn sich der Leser durch die einzelnen Fragen noch nicht genug angesprochen fühlen sollte, fügt Powells immer wieder auch Fragen ein, in denen er sein Publikum direkt anspricht, indem er ihre vermeintlichen Gedanken anspricht, sich selbst ins Geschehen einbringt, und sich dabei selbst unangenehmen Fragen stellt:

"Sollte ich weggehen? Sie in Frieden lassen? Sollte ich mit meinen Fragen nur mich selbst behelligen?"

Die eindeutige Antwort darauf: Nein!

Powells Roman ist völlig anderes und findet sich in der breiten Masse an Büchern und Texten wohl kein zweites Mal. Sein Fragenkatalog ist keine "normaler" Roman, er grenzt an Kunst, die in dieser Form auch nicht reproduzierbar ist und eine einmalige Idee darstellt. Das Leseerlebnis lässt sich dementsprechend auch nicht vergleichen. Lesen mit Mehrwert: Die Handlung hängt von den Gedanken des Lesers selbst ab, von seinen eigenen Antworten, je nachdem welche Richtung  sie nehmen. Der Roman fordert den Leser heraus, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, lässt Raum für Individualität.

Ein empfehlenswerter Roman, der mehr als Unterhaltung zu bieten hat.

Roman in Fragen

Padgett Powell, Berlin

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