Der große Gatsby

  • New York: Scribner´s sons, 1925, Titel: 'The great Gatsby', Seiten: 218, Originalsprache
  • Zürich: Diogenes, 1974, Seiten: 188, Übersetzt: Walter Schürenberg
  • Berlin: Blanvalet, 1953, Seiten: 268, Übersetzt: Walter Schürenberg
  • Berlin; Weimar: Aufbau, 1968, Seiten: 252, Übersetzt: Walter Schürenberg
  • Berlin: Th. Knaur Nachf., 1928, Seiten: 255, Übersetzt: Maria Lazar
  • Stuttgart: Reclam, 1989, Seiten: 254, Übersetzt: ?
  • Zürich: Diogenes, 1996, Seiten: 188, Übersetzt: Walter Schürenberg
  • Berlin: Ullstein, 2002, Seiten: 5, Übersetzt: Sky du Mont
  • München: Süddeutsche Zeitung, 2004, Seiten: 187, Übersetzt: Walter Schürenberg
  • Zürich: Diogenes, 2006, Seiten: 248, Übersetzt: Bettina Abarbanell, Bemerkung: Nachwort von Paul Ingendaay
  • Zürich: Diogenes, 2007, Seiten: 248, Übersetzt: Bettina Abarbanell, Bemerkung: Nachwort von Paul Ingendaay
  • Berlin: Insel, 2011, Seiten: 212, Übersetzt: Reinhard Kaiser
Der große Gatsby
Der große Gatsby
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Wolfgang Franßen
981001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2011

Lieber sterben, als nicht zu leben.

Wozu musste dieses Buch nicht schon alles schon herhalten? Für den großen amerikanischen Traum. Für das Spiegelbild der Goldenen Zwanziger, die Leere der Upperclass, für die große, unerfüllte Liebe, wie für das Versteckspiel, das Fitzgerald mit sich und seiner Frau Zelda darin spielte. Es bedurfte nicht erst der Verfilmung mit Robert Redford, um die Geschichte unsterblich zu machen. Ein Selfmademan blickt jede Nacht über den See, um auf der anderen Seite seine unerreichbare Liebe am Fenster zu vermuten, und kann nicht von ihr lassen.

Vor allem bietet "Der Große Gatsby" den besten letzten Satz der Literatur:

 

So stemmen wir uns voran, in Booten gegen den Strom, und werden doch immer wieder zurückgeworfen ins Vergangene.

 

heißt es in der Neuübersetzung von Rainer Kaiser, wo es in den Worten von Walter Schürenberg noch hieß:

 

So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu.

 

Selbst in den Übersetzungen aus dem Amerikanischen bleibt also nichts, wie es ist. Wieso dann in der Liebe? Dieser zutiefst menschlichen Erkenntnis hat F. Scott Fitzgerald nachgespürt. Er findet Bilder, dafür, wie seine Figuren sich zu betäuben versuchen, ihrem blutleeren und doch so überbordenden Leben zu entfliehen hoffen. Lasst uns tanzen, lasst uns trinken, lasst uns den Moment genießen, lasst uns nichts verpassen. Vor dem Morgen graut uns.

Der geheimnisumwitterte Jay Gatsby, der ein riesiges Vermögen angehäuft hat, so dass er es sich leisten kann, Partys für alle zu schmeißen, die ihn eigentlich gar nicht interessieren, ist an der Liebe erkrankt. Er sehnt sich zu Daisy zurück, die längst einen anderen geheiratet hat, die er jedoch mit seinem Aufstieg beeindrucken will. Er verliert sie in dem Moment, als sie im Freundeskreis gestehen soll, dass sie nur ihn geliebt hat. Das kann sie nicht, und somit geht die Geschichte tragisch aus. Doch fragt man sich, auch nach Jahren noch, wäre es nicht viel fataler gewesen, wenn diese Liebe in einen Alltag abgeglitten wäre?

Es ist nicht gut, zu tief zu lieben, alles andere verliert dann an Bedeutung. Dass Daisy sich in ein Leben mit ihrem Ehemann Tom eingerichtet hat, der sie betrügt und mit ihr offensichtlich eine Abmachung nach dem Motto "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" geschlossen hat, will Jay Gatsby nicht hinnehmen. Er ist es gewohnt, sich durchzusetzen. Also wartet er an und freundet sich mit seinem Nachbarn an, der ihm eine heimliche Begegnung mit Daisy ermöglichen soll. Für ein paar Stunden sieht es so aus, als gehe sein Plan auf.

Dieses unerschütterliche Vertrauen, etwas aus sich zu machen, damit er der geliebten Frau aus reichem Haus ebenbürtig ist, ihr das Leben bieten kann, von dem er glaubt, dass es ihr zusteht, geht völlig an der Realität vorbei. cite>Der große Gatsby nimmt uns hinter die Fassade der eigenen Wünsche mit und breitet das amerikanische Märchen vom Schillern des Reichtums vor uns aus. Was Gatsby so sympathisch macht, ist, dass er nie aufgegeben hat. Er ist ein Romantiker. Er verzehrt sich. Und doch steht hinter allem das Kalkül, in seinen neuen Kleidern so unwiderstehlich zu wirken, dass Daisy ihr jetziges Leben bereut und in seine Arme fällt. 

Gatsby ist einsam. Er hat sich sein Leben erarbeitet, ergaunert, erkauft. Mit seinem ersten Auftreten im Roman ist er ein Heimatloser. Dass Fitzgerald den Ich-Erzähler und Nachbarn gleichermaßen als Chronisten der Geschichte einführt, ist ein meisterhafter Schachzug. Mit ihm begleiten wir diesen "amour fou" vom Rücksitz aus.

Selbst Hemingway, der den Ruhm nicht gerne teilte, sagte über ihn: "F. Scott Fitzgerald war der Größte unter uns allen." Wie der Autor mit wenigen Sätzen einem Menschen feine Schnitte in den Glanz ritzt, macht ihm niemand nach. 

In seinem grandiosen Essay Der Riss hat Fitzgerald von den Wunden erzählt, die sich in allen Menschen auftun. Die sie umtreiben, nicht loslassen, die sich trotz allem Bemühen nicht schließen lassen. In Gatsby und Daisy zeigt er uns das bloße Fleisch unter der bunten Maske des frivolen Last Dance. Jay Gatsby ist naiv genug, seine Wunde offenzuhalten, sie nicht zu betäuben. Lieber sterben, als nicht zu lieben. In unseren Zeiten mag das banal klingen. Die Sehnsucht bleibt ungestillt. Für manche Menschen besteht die Liebe gerade im Unerfüllten. 

Und so fallen wir in F. Scott Fitzgeralds Strom, in seine Sprache und lassen uns mit ihm treiben und landen, seinem wie unserem Vergangenem zu.

Der große Gatsby

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