Der alte Mann und das Meer

  • Steinberg
  • Erschienen: Januar 1952
  • 1
  • Zürich: Steinberg, 1952, Seiten: 130
  • Leipzig: Reclam, 1963, Seiten: 129, Bemerkung: Ausgabe für die DDR und andere sozialistische Länder
  • Berlin: Aufbau, 1956, Seiten: 121, Bemerkung: Ausgabe für die sozialistischen Länder
  • Hamburg: Asmus, 1961, Seiten: 160
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1970, Seiten: 120
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1994, Seiten: 172
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1998, Seiten: 143
  • München: Saur, 2002, Seiten: 138, Bemerkung: Großdruck
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2006, Seiten: 143
  • Dresden: MCS, 2005, Seiten: 1, Übersetzt: Wolfgang Dehler
  • Berlin: Springer, 2011
  • Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1968, Seiten: 120
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2014, Seiten: 160, Übersetzt: Werner Schmitz
Der alte Mann und das Meer
Der alte Mann und das Meer
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Sebastian Riemann
901001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2011

Sein und Kampf

Einer der Klassiker von Hemingway. Die Erzählung, die gesondert erwähnt wurde in der Begründung zur Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahre 1954. Ein alter Fischer erledigt seine Arbeit mit Hingabe und ohne Zweifel und wird dadurch zu einem Helden und reicheren Mann. Ein Meisterwerk, direkt und schmucklos erzählt.

In einem kleinen Dorf auf Kuba lebt der Fischer Santiago. Er ist arm, alt und einsam, sein einziger Freund ein Junge aus dem Dorf, dem er das Fischen beibrachte. Seit vierundachtzig Tagen hat Santiago nichts mehr gefangen, man redet schon über die Pechsträhne, die den Alten wohl nicht mehr verlassen wird. Doch Santiago hat keine Bedenken und fährt jeden Tag zur See in seinem kleinen Boot. Früher hatte ihn der Junge begleitet, aber dessen Eltern waren es leid geworden, den Sohn mit einem glücklosen, alten Fischer aufs Meer zu schicken und wiesen ihn an, fortan auf einem anderen Boot zu arbeiten.

Wie jeden Tag steht der Alte sehr früh auf und macht sein Boot fertig. Er ist guter Dinge, glaubt, dass der fünfundachtzigste Tag endlich das Ende der fischlosen Zeit ist und ihm einen Fang bescheren wird. Nach einem Kaffee mit dem Jungen macht er sich auf den Weg, mit seinen Angeln, Leinen, Ködern und seinem alten Körper. Das Wetter ist gut, die See ruhig und mehrfach sieht er Fische aus dem Wasser springen. Die ihm bekannten Fischgründe fährt er ab, versucht Schwärme zu erreichen, die sich ihm zeigen, und bleibt glücklos. Nur ein kleiner Fisch beißt an, ist jedoch nicht mehr als ein weiterer Köder. Es scheint als werde das Glück dem Alten auch am fünfundachtzigsten Tag nicht beistehen, als plötzlich doch an einer Leine gezogen wird, an einer Leine, die tief hinabreicht. Kräftig ist das Ziehen und der Alte sofort zur Stelle den Fisch aus dem Wasser zu ziehen.

Der Kampf zwischen den beiden zieht sich in die Länge, da der Fisch groß und stark ist und der Fischer nicht gewillt aufzugeben. Stunden vergehen, in denen der Alte die Leine in seinen Händen hält und sein Boot vom Fisch ziehen lässt, dann vergeht eine Nacht und nichts hat sich geändert. Hunger und Durst machen dem alten Mann zu schaffen, seine Kraft lässt nach, aber immer wieder treibt er sich an durchzuhalten. An den Jungen muss er denken, der ihm eine große Hilfe wäre.

Es war die Idee, eine Short Story zu schreiben, aber dann wuchs der Text weiter und weiter. Eine Novelle wurde es am Ende, die deutlich die Handschrift Hemingways trägt. Fokussiert und direkt schreibt der Großmeister über den alten Fischer Santiago, wie er sich auf seinem Boot bewegt, die Leine von der einen Hand in die andere wechselt, allerhand müde Akrobatik zur Schau stellt, um einen kleinen Fisch essen, ohne dabei die Leine abzulegen, sich hierhin und dorthin auf dem winzigen Boot bewegt, um andere Leinen zu präparieren, sich die Hände im Meer zu waschen. Eine Ewigkeit vergeht während des stillen Kampfes zwischen Mann und Fisch und trotz der Armut an Ereignissen verfällt der Autor nicht darauf abzuschweifen, sondern bleibt beim Thema und beim alten Mann, bei seinen Mantras vom Durchhalten und dem aufkommenden Gefühl der Schwäche. Hemingway ist nicht bemüht, seine Leser mit viel Abwechslung zu unterhalten, er vertraut auf die Anziehungskraft seines Themas und der Idee, die sich im Alten verkörpert. Tief taucht der Leser ein, nicht in die Biographie des Fischers, nicht in die Ganzheit seines Charakters, sondern in seine Haltung gegenüber dem Leben. Er wurde als Fischer geboren und deshalb fischt er, no matter what. Es gibt einen Punkt im Kampf der beiden, da Santiago sich eingestehen muss, an die Grenzen seiner Kräfte zu stoßen; ihm wird schwindelig und schwarze Flecken verschlechtern seine Sicht, er droht das Duell zu verlieren und einsam auf hoher See zu sterben – die Möglichkeit umzudrehen und sich zu retten. Einen Fang zu verlieren kommt jedoch nicht in Frage, denn Santiago ist Fischer und fischen ist sein Leben. Den Kampf aufzugeben ist keine Option. Der Alte macht das, was er machen muss, wozu er geboren wurde. Es gibt keine Zweifel und kein Zaudern. Ähnlich dem großen Joe DiMaggio, dem legendären Baseballspieler, der mit einer schmerzhaften Verletzung im Fuß nicht aufgab, sondern das machte, wozu er geboren wurde.

Hemingway schweift nicht ab, sondern bleibt nahe bei seinem Protagonisten und dem einfachen Umfeld, bestehend aus dem Jungen und dem Fischerdorf. Einzig die Träume des Alten bilden eine Ausnahme, sein Erinnern der afrikanischen Küste, welche er einst sah, da er noch ein Kind war. Prächtige Löwen sah er damals und sie erscheinen ihm regelmäßig in seinen Träumen, sie sind Bezug zum Leben Hemingways, der die Wildnis Afrikas ausreichend in seinen Werken verarbeitete, und ein wenig fehl am Platz in der Erzählung vom alten Fischer, wirken sogar kitschig im Abgang, aber das kann man ohne viel Aufhebens übergehen, da der Text sonst so wunderbar präzise und ordentlich ist.

Nach langem Kampf siegt der alte Mann, bindet den riesigen Marlin an sein Boot und macht sich auf den Heimweg. Der Fisch ist zu groß, deshalb kann er ihn nicht an Bord nehmen. Bald kommen Haie, angezogen von der Spur des Marlin, und wollen ihren Teil der Beute haben. Die Rückfahrt dauert ebenfalls eine Ewigkeit und unzählig sind die Haie, die den Marlin angreifen und vom alten Mann abgewehrt werden. Er verliert dabei Harpune, Messer, Ruder und Knüppel, die Angreifer tot schlagend. Letztlich sind es jedoch zu viele, sie reißen den Marlin Stück um Stück vom Boot und lassen nur ein Skelett übrig.

Alles verloren hat der Alte und doch gewonnen. Erschöpft kehrt Santiago in seine Hütte zurück, der Junge ist sehr glücklich, ihn lebendig zu sehen, und verspricht fortan wieder gemeinsam zur See zu fahren, die anderen Fischer schauen mit Anerkennung auf das Skelett des riesigen Marlin. Beinahe wäre er gestorben wegen einem Fisch, den er am Ende doch nicht verkaufen konnte. Und doch ist er reicher als zuvor, da seine Welt das Meer, das Fischen und das heimatliche Dorf sind.

Zwischen dem Alten und dem Fisch besteht eine besondere Beziehung. Auch wenn sie gegeneinander kämpfen, sind sie doch verbrüdert, vereint im Existenzkampf. Santiago redet mit Respekt, manchmal sogar mit Bewunderung über den Marlin, nennt ihn seinen Bruder und setzt sich immer wieder in Bezug zu ihm. Es ist kein Kampf von Gut und Böse, auch nicht von Mensch und Natur, sondern der Kampf ums Leben.

Der alte Mann und das Meer

Ernest Hemingway, Steinberg

Der alte Mann und das Meer

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