Eine gute Ehe

Eine gute Ehe
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Monika Wenger
791001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2024

Es ist wichtig, das eigene Verhalten ständig zu überprüfen und anzupassen, denn nur Konformität wird von der Gruppe akzeptiert.

Die Geschichte von Margarete lässt die 1960er-Jahre lebendig werden. Gefangen im Korsett der Konventionen und geprägt durch ihre Kindheit, in der sie mit ihren Eltern Ungarn verlassen musste, scheint ihr Leben nur aus Anpassung zu bestehen.

Die Rolle der Ehefrau

Obwohl Margarete, die eigentlich Anikó heisst, ihr Lehramtsstudium aufgeben muss, ist sie froh, dass Lenz sich zu ihr und ihrem noch ungeborenen Kind bekennt. Die Heirat scheint die logische Konsequenz. Doch schon bald merkt Margarete, dass ihr das nicht wirklich genügt. Dennoch stürzt sie sich in ihre Aufgaben als Hausfrau und Mutter und erledigt alles mit bemerkenswerter Ernsthaftigkeit und Perfektion. Während ihr Mann als Arzt arbeitet und ihr ein finanziell unabhängiges Leben ermöglicht, vermisst Margarete seine Nähe. Seine Anwesenheit zu Hause ist nicht planbar. Als sie ihn mit einer anderen Frau sieht, bestätigt sich ihr Verdacht, dass ihr Mann ein notorischer Fremdgeher ist.

«Glücklich, ein Wort wie ein Peitschenhieb. Es ging ihr immer darum, sich sicher zu fühlen, angesehen zu werden und dazuzugehören. Aber glücklich?»

Margaretes zweites Kind fordert sie bis aufs Äusserste und sie wird ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Das geht so lange, bis sie eines Tages einfach aufsteht und Haus und Kinder verlässt. 

Fremd

Das Thema Anpassung und Selbstverwirklichung zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman von Lisa Quentin. Sie zeichnet das Bild einer intelligenten jungen Frau, die als Kind von Ungarn nach Deutschland kam und sich in der Schule immer wieder anpassen und beweisen musste.

«Wie es ist, ständig das eigene Verhalten zu hinterfragen und zu überprüfen. Immer abzugleichen, ob man sich konform verhält, denn nur Konformität wird von Gruppen akzeptiert.»

Als junge Erwachsene findet sie zwar ihren Traumberuf und beginnt ein Studium. Kurz vor Abschluss bricht sie wegen der ungewollten Schwangerschaft ihr Studium ab. Margarete ist überzeugt, dass sie ihren Abschluss nach der Geburt des Kindes nachholen wird. Aber schon bald ist sie gefangen in ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter. Die gesellschaftlichen Konventionen der 1960er Jahre geben ein bestimmtes Rollenverständnis vor. Doch Margarete kann sich darin nicht zurechtfinden. Immer wieder stösst sie an ihre Grenzen, zweifelt und verzweifelt. Eines Tages ist dann einfach alles zu viel.

Lisa Quentin ergänzt ihre Erzählung mit der Geschichte der Vertreibung der Ungarndeutschen, die nach der Entnazifizierung Ungarns enteignet und entrechtet wurden. Davon betroffen ist auch Margaretes Familie. Diese Erlebnisse prägen die Kindheit der Protagonistin stark, ohne dass diese sich dessen wirklich bewusst ist. Erst viel später kommt diese Erkenntnis und bringt schliesslich eine Veränderung.

Die im Roman verwendete Sprache ist sehr nüchtern und distanziert. Diese Zurückhaltung schafft einen eher ungewöhnlichen Abstand zum Geschehen. Es fällt schwer, eine Beziehung zu den Figuren aufzubauen. Die eingeflochtenen Rückblicke in die Vergangenheit der Ungarndeutschen sind selten und nicht ausführlich. Sie tragen jedoch wesentlich zu Margaretes Lebenseinstellung und ihrem Wunsch nach Zugehörigkeit bei.

Fazit

Der Roman ist ein Rückblick auf die Rolle der Frau in den 1960er Jahren, verbunden mit einem Stück Nachkriegsgeschichte. Margaretes Geschichte ist die Geschichte der Frauen auf dem Weg in die Emanzipation. Er ist eher nüchtern formuliert, zeigt aber ein realistisches Bild der Gesellschaft und ihres Funktionierens.

Eine gute Ehe

Lisa Quentin, Goldmann

Eine gute Ehe

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