Frau Komachi empfiehlt ein Buch

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Monika Wenger
811001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2023

Buchempfehlungen inklusive Lebenshilfe.

Die kleine Gemeindebücherei in einem Stadtviertel Tokios entpuppt sich als Anlaufstelle für Menschen in schwierigen Lebensphasen. Unter dem Schild «Auskunft» sitzt die in jeder Hinsicht beeindruckende Sayuri Komachi. Sie filzt mit höchster Konzentration kleine Geschenke, die sie als sogenannte Zugaben ihren Kunden schenkt. Jedes einzelne Filzgeschenk hat Symbolcharakter, genauso wie die ausgedruckten Buchempfehlungen.

Die Mehrdeutigkeit einer Frage

An und für sich brauchen die Menschen nur einen kleinen Anstoss, um zu erkennen, was sie unglücklich macht. Und da kommt Frau Komachi ins Spiel. «Was suchen Sie?» ist stets ihre erste Frage, wenn die Menschen zu ihr in die Gemeindebücherei kommen. Das ist auch bei Tomoka, der Verkäuferin, der Fall. Ebenso bei Ryo, dem Buchalter und bei Natsumi, der ehemaligen Zeitschriftenredakteurin, bei Hiroya, dem Arbeitslosen und Masao, dem Rentner. Sie alle wollen ein Buch entlehnen, werden aber von der Frage überrumpelt – von ihrer Mehrdeutigkeit überrascht. Ausgelöst durch Frau Komachis Art der Fragestellung beginnt ein Prozess, der sie alle auf Umwegen zur Problemlösung führen wird.

Die Hauptperson in einer Nebenrolle

Eigentlich spielt Frau Komachi in dieser Erzählung nur eine Nebenrolle. Die Hauptrollen übernehmen fünf Personen, die im Verlauf der Geschichte das Gemeindezentrum besuchen und nach der Bücherei fragen. Diesen Figuren hat Michiko Aoyama jeweils ein Kapitel gewidmet. In diesen erzählt sie aus den unterschiedlichen Leben. Sie berichtet von nicht erfüllten Träumen, von hohen Erwartungen und von Sinnlosigkeit. Bis sie alle Frau Komachi begegnen. Es ist erstaunlich, wie die Frau hinter dem Auskunftsschalter die Menschen lesen kann. Obwohl sie nicht dem gängigen Rollenbild entspricht, ist sie für ihre Mitmenschen eine echte Lebenshilfe.

Unscheinbar im Hintergrund lässt die Autorin ihre wichtigste Figur agieren. Diese Erzählung handelt von Menschen, die sich durch die Anforderungen der Arbeitswelt überfahren und ausgegrenzt fühlen. Ob Arbeitslosigkeit, Pensionierung oder falscher Job, die Personen, die sich fast ausschließlich über ihre Arbeit definieren, sind nicht mehr glücklich. „Für mich stellt sich dann auch die Frage, inwieweit mein Beruf mich in den Augen der anderen charakterisiert. Wird jemand, der mich eigentlich nicht kennt, dadurch das Gefühl haben, über mich Bescheid zu wissen?“

Ein wunderbar feinsinniger und berührender Roman, der zeigt, dass es manchmal nur einen kleinen Anstoß braucht, damit sich die Sichtweise ändert und ein positiver Wandel möglich wird. Zwischendurch mildert der feinsinnige Humor die ernsthaften Passagen. Das tut der Geschichte besonders gut. Alles in allem ein bezauberndes Buch.

Fazit

Mit diesem Roman ist Michiko Aoyama eine berührende Geschichte über Zweifel und fehlendes Selbstvertrauen gelungen. Frau Komachi gelingt es auf wunderbare Weise mit Hilfe von Büchern die Menschen zu motivieren und zu handeln. Eine zauberhafte und kluge Lebenshilfe – ganz im Stil japanischer Autoren.

Frau Komachi empfiehlt ein Buch

Michiko Aoyama, Kindler

Frau Komachi empfiehlt ein Buch

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