Spencer

Film-Kritik von Carola Krauße-Reim / Titel-Motiv: © LEONINE

Subtilität erfordert Interpretation

Weihnachten auf Sandringham: Die königliche Familie versammelt sich um das Fest zu begehen. Geschenke werden ausgepackt, es wird gespeist, getrunken und gejagt. Mit dabei Diana, Princess of Wales, die das Fest nicht genießen kann, weiß sie doch um die Affäre ihres Mannes mit Camilla, die zu allem Überfluss von ihm das gleiche Perlenkollier geschenkt bekommt wie sie. Immer tiefer entgleitet Diana in Depressionen und Bulimie. Dann trifft sie eine Entscheidung, die der Familie nicht gefallen dürfte.

Eine Frau am Abgrund

Drehbuchautor Steven Knight kann natürlich, wie wir alle, nur mutmaßen, was wirklich in der Ehe von Prince Charles und Princess Diana geschah. Doch er entscheidet sich nicht für eine ausgewogene Darstellung, sondern schlägt sich eindeutig auf die Seite der unglücklichen Diana.

Knight stellt sie als Frau dar, die ihren Lebenskompass verloren hat; die versucht Halt durch ihre, als glücklich dargestellte, Kindheit zu erlangen und die an der Schwelle zum kompletten Wahnsinn zu stehen scheint. Sie identifiziert sich mit Anne Boleyn, sieht sie wahrhaftig vor sich und glaubt fest daran, dass auch sie getötet werden wird, weil Charles seine Mätresse heiraten will. Alles das wird aber nur sehr subtil vermittelt.

Diana scheint allein

Es werden nur sehr wenige Dialoge geführt, das meiste läuft über Mimik und Gestik ab. Eine Interaktivität mit den anderen Mitgliedern der königlichen Familie findet fast nicht statt, denn Diana entzieht sich ihr. Ein skurriles Spiel am Kerzenlicht-beleuchteten Tisch mit ihren Söhnen verdeutlicht die Rolle der Kinder, die zwischen Mutter und Familie zerrissen zu sein scheinen.

Man muss die Szenen hinterfragen und interpretieren, um aus ihnen mehr Substanz ziehen zu können. Sonst wird man lediglich von einem Kleiderwechsel zum nächsten geleitet (davon gibt es unzählige) oder wird im ständig wiederholten Hamsterrad von Übergeben und Verweigerung feststecken.

Kristen Stewart als Diana

Kristen Stewart dürfte den meisten als Bella aus der Twilight Saga bekannt sein.  Für ihre Rolle als Princess Diana erhielt sie 2022 eine Oscar-Nominierung als Beste Hauptdarstellerin. Für mich ist diese Entscheidung kaum nachvollziehbar.  Zwar haben es Maskenbildner und Kostüme geschafft das Aussehen Dianas halbwegs zu kopieren, doch Regisseur Pablo Larraín lässt Stewart weder Intonation noch Mimik der Fürstin von Wales übernehmen. Stewart tut ihr Bestes, doch sie kann die Rolle einfach nicht ausfüllen und verharrt in sich selbst, inklusive ständig offenstehenden Mundes.

Realität oder Zuspitzung?

Zweifelsfrei dürften die Weihnachtsfeste auf Sandringham keine sehr glücklichen für Diana gewesen sein. Doch die Art und Weise, wie Knight und Lorraín sie als halbwahnsinnige, sich ständig übergebende Frau darstellen, die sich selbst verletzt und die Probleme durch Entzug immer noch anfacht, wirkt sehr zugespitzt. Was wahrscheinlich als anklagende oder zumindest neutrale Darstellung gemeint war, verkehrt sich eher in das Gegenteil.

Selbst der Schluss stellt weitere Konflikte mit der Familie in Aussicht und zeigt lediglich die andere Lebensauffassung von Diana. Die eher subjektiv wirkende Betrachtung wirkt polarisierend und dürfte noch heute, 25 Jahre nach dem tragischen Tod Dianas, zu Diskussionen führen.  

Fazit

„Spencer“ stellt eine Diana dar, die am Abgrund steht. Die Szenen verlangen nach Interpretation, ansonsten sieht man nur eine halbwahnsinnige Frau, die sich entzieht und ihre Kinder als Mittel zum Zweck missbraucht. Der Film dürfte die Fangemeinde spalten und die Darstellung von Kirsten Stewart überzeugt wahrscheinlich nicht jeden.

 

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Fotos: © LEONINE

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