Das perfekte Geheimnis

Film-Kritik von Sandra Dickhaus / Titel-Motiv: © 2019 Constantin Film Verleih GmbH / Lucia Faraig

Eine amüsante Komödie ohne überraschende Wendungen

Endlich mal wieder ein Mädelsabend: erst gemütlich Essen gehen, dann ab ins Kino. Schon lange steht fest: „Das perfekte Geheimnis“ schauen wir uns an! Mit großen Erwartungen und einer ebenso großen Tüte Popcorn lassen wir uns zufrieden in den Kinosessel nieder. Das Kino ist - obwohl unter der Woche - fast voll besetzt, das Publikum wenig durchmischt; nur vereinzelte Männer lassen sich auf den Film ein und wenn, dann nur in Pärchenkonstellation. Der weibliche Besucheranteil überwiegt, vor allem große Damengruppen fallen auf. Ob dies an der männlichen Starbesetzung liegt? Oder spricht die Thematik eher Frauen an? Denn darum geht es:

Rocco (Wotan Wilke Möhring) und Eva (Jessica Schwarz) haben Freunde zum Essen am Abend der Mondfinsternis eingeladen. Als weitere zwei Paare und ein Freund, dessen neue Partnerin angeblich erkrankt ist, am Tisch sitzen, kommen sie auf eine wahnwitzige Idee: Jeder der Anwesenden soll sein Handy gut sichtbar auf den Tisch legen. Aber das ist noch nicht alles: Jede eingehende SMS oder WhatsApp-Nachricht wird laut vorgelesen und jeder Anruf wird - gut hörbar für alle - auf Lautsprecher gestellt. Das klingt nach jeder Menge Chaos und Enthüllung.

Die Idee ist allerdings nicht neu: Es handelt sich um ein Remake eines italienischen Kinofilms aus dem Jahre 2016. Und es ist nicht einmal die erste Adaption. Allerdings ist das Original eine Satire, die die deutschen Filmemacher unter der Regie von Bora Dagtekin, bestimmt vielen bekannt durch „Türkisch für Anfänger“ und „Fack ju Göhte“, in eine Komödie ohne satirischen Unterton verwandelt haben.

Kammerspiel mit den „üblichen Verdächtigen“

Zu Beginn handelt es sich eher um Smalltalk mit Situationskomik und macht deutlich, wer welche feste Rolle im Freundeskreis spielt. Die Grenzen werden gesteckt und mit dem Spiel wieder eingerissen. Hierbei spielt die Komödie nur in der Wohnung des Gastgeberpaares - am Tisch, in der Küche und auf dem Balkon. Deutlich wird, dass es sich hier um eine spießige Gesellschaft handelt, die aber vorher so abgeklärt tat, dann jedoch bei Themen wie Brustvergrößerung, wer mit wem wann ins Bett geht und Homosexualität errötet und an ihre moralischen Grenzen gebracht wird. Das passt nicht immer zum angeblichen Charakter einzelner Figuren. So ist auch die anwesende Psychotherapeutin relativ unflexibel und in ihrem Denken sehr eingefahren. Auch der Hausmann, der sich von einer Spielplatzbekanntschaft anzügliche Fotos schicken lässt und Bestätigung sucht, während im Bett mit seiner Frau absolute Flaute herrscht, wirkt in seinem Strickjäckchen nicht wirklich authentisch. Die Diskussionen scheinen eher auswendig gelernt, jeder sagt seinen Text auf, alle lassen einander mehr oder weniger ausreden und rattern ihre Pro- und Contra-Argumente zu den jeweils angeschnittenen Themen herunter. Das geht besser, vor allem bei solch hochkarätigen Schauspielern.

Prominente Besetzung

Die junge, prominente Besetzung soll ein Besuchermagnet sein: Elyas M´Barek als weichgespültes Muttersöhnchen mit Herz, Frederik Lau als ideenreicher, gescheiterter Möchtegern-Unternehmer, Wotan Wilke Möhring als verständnisvoller Vorzeigevater und Florian David Fitz als angespannter Gymnasiallehrer, die glauben, dass ihre seit Kindheitstagen bestehende Freundschaft alles aushalten wird. Doch ist das wirklich der Fall?

Das Experiment rund um das neue „Lüfte-Dein-Geheimnis“-Spiel stellt einige Werte, die ihnen sicher schienen, auf die Probe. Auch ihre Partnerinnen spielen dabei keine unbedeutende Rolle: Jella Haase Küken und esoterische Tierärztin, Jessica Schwarz die strenge Psychotherapeutin, und Karoline Herfurth die emanzipierte Powerfrau. Alle Beziehungen müssen nun einiges aushalten, wenn sich der Vorhang lüftet. Da gehen schon mal Gläser zu Bruch und die ein oder andere Ohrfeige wird ausgeteilt. Vor allem der mit jeder Stunde steigende Weinkonsum ist der Situation nicht wirklich zuträglich.

Irgendetwas muss ja passieren

Aber auch das haben wir als Zuschauer(innen) vom Fortgang des Filmes erwartet: irgendwas muss ja passieren, wenn das Handy für alle sieben Anwesende zugänglich gemacht wird. In unserer digitalen Gesellschaft ein prekäres Thema. Wie viele intime Geheimnisse enthält mein Handy? Was ist, wenn sie jemand liest, hört oder sieht? Und vor allem: Vertraue ich meinem Mobiltelefon mehr an als meinen besten Freunden und meinem Partner? Humorig thematisiert wird hier die Abhängigkeit jedes Einzelnen von seinem Handy, das mittlerweile anscheinend mehr preisgibt als jedes gut versteckte Tagebuch: Termine, persönliche Konversationen, Fotos in allen Lebenslagen und Notizen.

Zwischenzeitlich stellen wir uns die Frage, ob wir im realen Leben bei solch einem Spiel mitmachen würden. Ich habe mich an dieser Stelle schnell entschieden: Ich bin der Spielverderber. Auch wenn ich keine großen Geheimnisse oder gar eine Leiche im Keller habe, würde ich mir, auch im Sinne derer, die mit mir währenddessen in Kontakt treten und damit völlig unwissend etwas von sich selbst offenbaren, nicht die Blöße geben. Außerdem – will ich alles, wirklich alles, von meinem Gegenüber wissen? Ganz klar und deutlich: Nein! Wenn mir einer meiner Freunde etwas anvertrauen möchte, hätte er es früher oder später schon getan. So verwundert es umso mehr, dass sich in dieser Komödie keiner der Clique vehement gegen die Idee des Spieles auflehnt - vor allem weil sie wissen, dass dabei einiges auffliegen könnte, was die anderen nicht wissen sollen. Sehr unrealistisch, aber ohne diese Spielbereitschaft würde der Plot des Films eben nicht funktionieren. Mit dem Fortgang des Abends werden die Geheimnisse immer unangenehmer, aber niemand gebietet dem Spiel Einhalt. Auch nicht, als eine folgenschwere Verwechslung auftritt und die eigene Partnerschaft auf dem Spiel steht. Wie weit geht man wirklich, um den eigenen Freund zu schützen, wenn es einem selber schadet?

Störend ist, dass der Film mit einigen Klischees arbeitet: So beispielsweise die hartarbeitende Zwillingsmutter, die im Zuge der „Me too“-Kampagne eine Rede gehalten hat, dann aber ohne Unterwäsche zu einem Meeting geht, um männliche Geschäftspartner zu ködern, und ihrem Mann unter Tränen gesteht, dass sie sich immer schon gewünscht hat, ein „Muttertier“ zu sein. Sie beneidet ihren Mann, der sich seit etwa einem Jahr um die Kinder kümmert und den Haushalt schmeißt. Vorher überzeugte sie so deutlich als emanzipiert und aufgeklärt, dass dieses Geständnis sehr aufgesetzt wirkt und stereotype Geschlechterrollen dann eben doch bedient.

Fazit:

Alles in allem eine amüsante Komödie, die aber nicht die erwarteten Wendungen bringt. Wer unterhalten werden möchte, der ist hier richtig, wirklicher Tiefgang oder ein klarer moralischer Standpunkt allerdings fehlen. Die Starbesetzung bringt den Publikumserfolg, enttäuscht aber leider bei dem einen oder anderen Diskussionspunkt mit wirklich aufgesetzten Wortbeiträgen. Einzig Jella Haase bringt frischen Wind in die spießige Gesellschaft und zeigt sich von einer anderen Seite.

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